Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
konnte etwas nur so weich und vollkommen sein?!
Als sie mit einem schläfrigen Murmeln nach seiner Hand tastete, beugte er sich über sie und küsste sie liebevoll auf die Nasenspitze. Wenngleich ihre Augen noch fest geschlossen waren, warf sie den Arm um ihn und kuschelte sich an seine Brust, wo ihr Atem heiße Schauer über seine Haut sandte. Einen winzigen Moment lang fragte er sich, ob es eigennützig war, dem Drang, der ihn beinahe zerriss, nachzugeben, doch dann drückte er sie näher an sich, während sein Mund ihre leicht geöffneten Lippen fand. Nach anfänglichem Zögern erwiderte sie den vorsichtigen Kuss, der schon bald leidenschaftlicher wurde, bis sie mit einem Wonnelaut den Kopf zurückbog und seinen Blick suchte. So viel lag in den mit einem Schlag hellwachen, braunen Augen, dass er einen Moment lang vermeinte, darin ertrinken zu müssen. Hungrig führte er die Finger an ihrer nackten Rückseite entlang, genoss das Gefühl der sich ihm anpassenden Rundungen und fand, was er suchte. Als hätten sie einander schon immer gekannt, verschmolzen ihre Körper in perfekter Harmonie, und als sie schließlich beide erfüllt und ermattet zugleich zurück in die Kissen sanken, war es Wulf, als habe er bereits die Schwelle des Paradieses überschritten.
»Das war noch viel schöner als das erste Mal«, flüsterte Brigitta nach einiger Zeit dicht an seinem Ohr, an dem sie neckend knabberte. »Dürfen wir das jetzt öfter tun?«
Ein Lachen stieg in ihm auf und als sie kichernd mit einfiel, lösten sich all die Sorgen und Ängste, die seine Seele verdunkelt hatten, in nichts auf. Halb lachend, halb weinend vor Freude und Erleichterung umschlangen sie sich erneut, bis er sich schließlich japsend von ihr löste, um sich mit einer Grimasse an die stechende Seite zu greifen.
»Sooft du willst«, versetzte er mit einem breiten Grinsen. »Sobald wir vor Gott Mann und Frau sind, ist es sogar unsere Pflicht«, scherzte er und drückte ihr einen feuchten Kuss auf die Stirn.
Anstatt seine Heiterkeit zu teilen, verdüsterte sich Brigittas Miene jedoch so unversehens, dass Wulf erschrak. Verwirrt fragte er sich, was er falsch gemacht haben könnte, dass sich ihre Stimmung so schnell gewandelt hatte.
»Du möchtest doch meine Frau werden, oder?« Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn, als er sie ratlos betrachtete.
Einige Zeit lang schwieg sie, während die Gefühle deutlich Widerstreit auf ihrem Gesicht hielten, bevor sie mit einem Seufzen erwiderte: »Ich möchte immer an deiner Seite sein.« Sie zögerte, bevor sie leise hinzufügte: »Aber ich möchte niemals so werden wie meine Mutter.« Eine Träne glitzerte in ihren Wimpern, da die Nachricht vom Tod Anna von Ensingens sie bei ihrer Ankunft in Ulm bereits erwartet hatte.
Ergriffen fasste Wulf nach ihren kühlen Händen und drückte sie an die Lippen. »Ich werde dich nie als meinen Besitz betrachten«, schwor er. »Jeder Tag, den ich mit dir verbringen darf, wird sein wie ein Geschenk.« Seine Stimme bebte. »Wenn du willst, schließen wir eine Friedelehe«, schlug er vor.
Diese Form der Verbindung machte beide Eheleute – anders als in der Muntehe – zu gleichberechtigten Partnern. Im Gegensatz zu der herkömmlichen Form der Ehe wurde der Gatte nicht zum Vormund seiner Gemahlin.
Brigitta riss die Augen auf. »Das würdest du tun? Aber die Mitgift …« Sie ließ den Satz unbeendet, da Wulf verächtlich abwinkte.
»Ich will kein Geld von deinem Vater.« Sein Blick wurde hart. »Ich habe selbst genug.« Da er Brigitta auf dem Weg nach Ulm berichtet hatte, was während ihrer Trennung passiert war, wusste diese von der Großzügigkeit des Katzensteiners und der Entscheidung ihres Geliebten, diesem Abschnitt seines Lebens – trotz aller Reue – den Rücken zu kehren. »Wenn er nicht einer der größten Baumeister der Welt wäre, würde ich nicht einmal über das Angebot nachdenken!«
Sie hatten sich eine Etage im Haus eines Händlers gemietet, da nichts in der Welt sie dazu hätte bringen können, unter Ulrich von Ensingens Dach zu schlafen. Dennoch war Wulf hin und her gerissen aufgrund des Vorschlages, den der Werkmeister ihm gemacht hatte.
Kaum hatte dieser von der Rückkehr der beiden jungen Leute erfahren, hatte er Wulf knapp mitgeteilt, dass er im Begriff war, mit gut einem Dutzend Steinmetze nach Mailand aufzubrechen, wo er die Leitung der Bauhütte übernehmen würde. Mit keinem Wort hatte er den Ungehorsam seiner Tochter erwähnt, sondern einfach so
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