Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
der einem Husten glich, kam über seine Lippen, und augenblicklich bereute er den Versuch eines Lachens, da ihn ohne Vorwarnung eine Erkenntnis traf, die ihn bis ins Mark erschütterte. Er würde dieses Hospital nicht lebend verlassen!
Die Furcht, die sich in die hintersten Winkel seines Bewusstseins zurückgezogen hatte, tastete sich erneut näher und breitete sich wie eine erstickende Decke über ihn. Eine Weile rang er mit der Leere, die ihn unaufhaltsam erfüllte, bis er schließlich die Sinnlosigkeit seines Kampfes begriff. Zitternd schloss er die inzwischen tränenden Augen, presste die Lippen aufeinander und gab den Widerstand auf. Beinahe erleichtert ließ er sich von dem gewaltigen Strudel mitreißen, der ihn in ein grenzenloses Nichts zog.
Kapitel 56
Ulm, 11. August 1368
Mit einem Niesen fuhr Wulf am nächsten Morgen aus dem Schlaf auf. Irritiert wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht und hielt stockend inne, als seine Finger in einer weichen Flut aus Locken landeten, die nach Rosenwasser und Brigitta dufteten. Eine der vorwitzigen Strähnen hatte sich in seinem eigenen, pechschwarzen Schopf verfangen und ihn wachgekitzelt, doch es dauerte einige schlaftrunkene Momente, bis die Erinnerung an das Vorgefallene zurückkehrte. Brigitta! Gähnend rollte er sich auf die Seite, stemmte sich auf einen Ellenbogen und betrachtete sie, deren Schönheit und Zartheit ihm trotz all der Blessuren, die Ortwin ihr zugefügt hatte, immer wieder aufs Neue den Atem raubten. Wie unglaublich wundervoll sie war!
Nachdem sie von einer Hebamme untersucht und von einer Magd gebadet worden war, hatte sich am vergangenen Abend wie durch ein Wunder die Brigitta, die er kannte, aus all dem Schmutz und den zerschlissenen Kleidern herausgeschält. Wulf schmunzelte, als er an die eng geschnittenen, an mehreren Stellen löchrigen Hosen dachte, die sie mit einem Naserümpfen ins Feuer geworfen hatte. Selbst in ihrem anstößigen Aufzug als Knabe hatte er sie begehrenswerter und hinreißender gefunden als jede Frau, die er jemals gesehen hatte.
Zärtlich strich er mit der Fingerkuppe über die bleiche Stirn, die an einigen Stellen in allen Farben des Regenbogens schillerte. Die dabei plötzlich in ihm aufwallende Wut wollte ihm die Sicht verschleiern. Wenn er doch nur selbst Ortwins Richter hätte sein können! Ihn mit den eigenen Fäusten zu Brei zu schlagen und dann zu erdrosseln, das war es, was er sich wohl bis an sein Lebensende wünschen würde.
Dieses brennende Verlangen nach Vergeltung nagte mit überwältigender Heftigkeit an ihm, seit er den Mörder an die Stadtwache übergeben hatte, die ihn ohne zu zögern ins Hospital geschafft hatte. Ins Hospital! Er biss die Zähne aufeinander, um eine Verwünschung zu unterdrücken. Anstatt unter den Händen des Folterers seine Schandtaten wimmernd zu gestehen, wurde Ortwin von den Mönchen der Barfüßerabtei umsorgt und gehätschelt. Wulf schnaubte angewidert. So hatte er sich Gerechtigkeit wahrlich nicht vorgestellt!
Ein Blick auf Brigittas Halsband ließ ihn reumütig innehalten und nach einem kurzen Augenblick die gewalttätigen Gedanken verwerfen. Die Rache war ein Vorrecht, das ihm nicht zustand. Wann würde er endlich lernen, Gottes Willen nicht andauernd infrage zu stellen? Die Hitze der Scham stieg ihm in die Wangen. Zeigte der allmächtige Herr ihm nicht bereits mehr Güte und Barmherzigkeit als ein einfacher Sünder sie verdiente? Seine Kehle wurde eng, als er an das neue Leben dachte, das in Brigitta wuchs.
Zerknirscht murmelte er ein Gebet der Abbitte. Ortwin würde seine Strafe erhalten, ob in dieser Welt oder in der nächsten. Darauf musste er vertrauen, denn ansonsten würde er sich den Rest seiner Tage damit quälen, dass er nicht getan hatte, was er hätte tun können, als er mit dem ehemaligen Steinmetzen und Brigitta allein auf der Albhochfläche unterwegs gewesen war.
Er schluckte den Klumpen in seinem Hals und führte die Hand zu Brigittas Bauch, der sich mit jedem tiefen Atemzug, den sie tat, hob und senkte. Er würde sie nie wieder allein lassen! Das hatte er bei allen Heiligen geschworen, als er ihren zerbrechlichen Körper mit einem Arm umschlungen hatte, während der andere seinen Wallach lenkte. Die Liebe, die er für sie empfand, war so überwältigend, dass er nicht mehr wusste, wie er jemals ohne sie hatte leben können. Vorsichtig wanderte er weiter zu der Vertiefung zwischen ihren vollen Brüsten und liebkoste die zarte Haut. Wie
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