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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Er ritt eines Tages einfach davon und kam nie zurück. Und auch von Lady Anne hat er sich nicht verabschiedet, sondern verließ das Maiturnier und überließ es seinen Schergen, sie zu verhaften. Nicht einmal von Lady Jane, die im Kindbett starb, hat er sich verabschiedet. Er wusste, dass sie im Fieber lag und um ihr Leben rang, aber er mied das Krankenbett. Er ließ sie allein sterben. Er ist hartherzig, aber dennoch empfindlich: Er kann Frauen nicht weinen sehen, er kann Abschiede nicht ertragen. Es fällt ihm leichter, sein Herz und sein Gesicht abzuwenden und einfach zu gehen.«
    Ich zittere ein wenig und gehe zum Fenster und prüfe, ob es geschlossen ist. Ich spüre ein Verlangen, die Läden zu schließen, Zuflucht zu suchen vor dem gleißenden Licht. Vom Fluss weht ein kalter Wind herauf, ich spüre fast, wie er mich frierend macht. Ich will in mein Audienzzimmer gehen und mich mit meinen törichten Ehrenfräulein umgeben, einen Pagen die Laute schlagen hören, von Frauenlachen abgelenkt werden. Ich will mich behaglich fühlen in meinen Gemächern, den Gemächern der Königin, auch wenn ich jetzt weiß, dass drei Frauen vor mir dort bereits Zuflucht suchten.
    »Wenn er gegen mich wendet wie gegen Lady Anne, dann würde ich nicht gewarnt«, sage ich leise. »Niemand hier ist mein Freund, niemand sagt mir, dass Gefahr kommt.«
    Sie macht keinen Versuch, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
    »Es könnte sein, wie für Lady Anne, ein sonniger Tag, ein Turnier, und dann kommen die Männer in Waffen, und es gibt kein Entfliehen?«
    Mit bleichem Gesicht nickt sie. »Er schickte damals den Herzog von Norfolk, um mich zum Gehorsam zu zwingen. Der gute Herzog, der mich von Kindesbeinen an kannte und meiner Mutter treu gedient hatte, sagte mir ins Gesicht, dass er, wäre er mein Vater, mich bei den Füßen nehmen und gegen die Wand schlagen würde, bis er mir den Schädel gespalten hätte. Ein Mann, den ich von klein auf kannte, ein Mann, der wusste, dass ich Prinzessin von reinstem Geblüt war, ein Mann, der meine Mutter als treuester Diener geliebt hatte. Er kam mit Billigung meines Vaters, führte seine Befehle aus und war bereit, mich in den Tower zu bringen. Der König sandte seinen gedungenen Mörder aus, der nach Belieben mit mir verfahren sollte.«
    Ich nehme einen Zipfel eines kostbaren Gobelins in die Hand, als könnte die Berührung mich trösten. »Aber ich habe nichts getan«, sage ich. »Gar nichts.«
    »Das hatte ich auch nicht«, erwidert sie. »Ebenso wenig wie meine Mutter. Oder Königin Jane. Vielleicht war sogar Lady Anne unschuldig. Wir alle mussten erleben, wie sich die Liebe des Königs in Hass verwandelte.«
    »Und ich habe seine Liebe niemals gehabt«, murmele ich in meiner eigenen Sprache. »Wenn er seine Frau verlassen konnte, mit der er sechzehn Jahre verheiratet war, eine Frau, die er liebte ... wie leicht wird es ihm fallen, mich loszuwerden, die er nicht einmal gemocht hat?«
    Sie sieht mich mitleidig an. »Was wird aus Euch?«, fragt sie schlicht.
    Ich muss wohl sehr niedergeschlagen aussehen. »Ich weiß nicht«, sage ich wahrheitsgemäß. »Ich weiß nicht. Wenn der König verbündet sich mit Frankreich und nimmt Kitty Howard als seine Geliebte, dann ich glaube, wird er mich heimschicken.«
    »Wenn nicht Schlimmeres«, sagt sie sehr leise.
    Ich lächele ihr wehmütig zu. »Ich weiß nicht, was schlimmer ist als mein Heim«, sage ich.
    »Der Tower«, lautet ihre schlichte Erwiderung. »Der Tower wäre schlimmer. Und das Schafott.«
    Das Schweigen, das auf ihre Worte folgt, währt lange. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und gehe zur Tür, die in meine öffentlichen Zimmer führt. Die Prinzessin tritt einen Schritt zurück und lässt mich vorgehen. Wir durchqueren mein inneres Gemach, in Gedanken an drohende Gefahr versunken, und treten durch die Nebentür in meine Hauptgemächer ein, wo ein reges Treiben herrscht. Diener eilen aus dem Wandelgang herein und bringen Speisen. In meinem Audienzzimmer ist ein Esstisch aufgebaut und mit goldenem und silbernem Tafelgeschirr aus der königlichen Schatzkammer eingedeckt worden.
    »Warum das?«, frage ich verblüfft.
    »Seine Majestät der König hat angekündigt, dass er beabsichtigt, in Euren Gemächern zu speisen.« Lady Rochford ist vorgetreten, um mir dies auszurichten.
    »Gut.« Ich versuche erfreut zu klingen, bin aber immer noch furchterfüllt ob des königlichen Hasses und der Erwähnung des Towers und des Schafotts. »Es ist mir eine Ehre,

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