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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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nicht«, wiederholt sie. Sie sieht aus wie ein verängstigtes Kind. »Ich kann es Euch nicht sagen. Niemand sagt mir etwas, außer, dass ich ihm gefallen soll. Und ich muss das tun.«

 
 
J ANE B OLEYN , W ESTMINSTER , M AI 1540
 
    Die Königin sitzt in ihrer Loge hoch über den Turnierschranken, und obwohl sie bleich ist vor Furcht, ist doch jeder Zoll an ihr eine Königin. Sie hat ein Lächeln für die Hunderten von Londonern, die in Scharen zum Palast gepilgert sind, um die königliche Familie und die Adeligen, die Schaukämpfe, die Festzüge und die Zweikämpfe zu sehen. Sechs Herausforderer werden gegen sechs Verteidiger kämpfen. Im Augenblick umkreisen sie die Arena mit ihren Knappen, ihren Schilden und Bannern, die Trompeter schmettern Fanfaren, und die Menschen brüllen lauthals Wetten heraus. Die ganze Szene ist wie ein Traum: der Lärm, die Hitze und die grelle Sonne, vom goldenen Sand der Arena gespiegelt.
    Ich stehe im Hintergrund der königlichen Loge. Wenn ich halb die Augen schließe, dann sehe ich Geister. Ich sehe Königin Katharina vor mir, die sich vorbeugt und ihrem jungen Gemahl zuwinkt, ja, ich sehe sogar das Schild mit seinem Motto: Ritter Treuherz.
    Ritter Treuherz, in der Tat! Es ist eigentlich urkomisch, da das wankelmütige Herz des Königs doch für den Tod so vieler Menschen verantwortlich ist. Nur seinen eigenen Begierden ist dieses Herz treu, und heute, am Maifeiertag, hat es sich wieder einmal gewandelt, wie der Frühlingswind, der rasch die Richtung wechselt.
    Ich gehe ein wenig zu einer Seite und werde von einem Sonnenstrahl geblendet, der durch einen Riss im Sonnensegel fällt ..., und für einen Moment sehe ich Anne in der Loge, meine Anne, Anne Boleyn mit lachend zurückgeworfenem Kopf und weißer, entblößter Kehle. In jenem Jahr, Annes letztem, hatten wir einen heißen Mai, und sie schob es auf die Sonne, obwohl es die Angst war, die sie schwitzend machte. Sie wusste, dass Gefahr drohte, aber sie hatte keine Ahnung, wie nah diese Gefahr war. Und wie hätte sie es wissen sollen? Keiner von uns ahnte etwas. Keiner von uns hätte sich träumen lassen, dass er diesen wunderschönen schlanken Hals auf einen hölzernen Block legen lassen und einen französischen Scharfrichter anheuern würde. Er hatte seinem Königreich einen anderen Glauben verordnet, nur um sie zu bekommen. Wie konnte er sie dann vernichten?
    Wenn wir es gewusst hätten ..., aber es ist sinnlos, dies zu denken.
    Vielleicht hätten wir fliehen sollen, ich und George, Anne und ihre Tochter Elisabeth. Vielleicht hätten wir uns befreien können von diesem Schrecken und diesem Ehrgeiz und dieser Sinneslust, die den englischen Hof ausmacht. Doch wir blieben. Wir saßen wie die Hasen geduckt im hohen Gras, hörten die Hunde und hofften, dass sie uns nicht finden würden ..., aber an jenem Tag kamen die Soldaten und holten meinen Mann und meine geliebte Schwägerin Anne. Und ich? Ich saß stumm da und ließ sie gehen und sagte kein einziges Wort, um sie zu retten.
    Aber diese neue Königin ist nicht so dumm. Wir hatten Angst, das schon, aber wir hätten noch viel mehr Angst haben sollen! Anna von Kleve hingegen weiß Bescheid. Sie hat mit ihrem Gesandten gesprochen und weiß, dass es keine Krönung geben wird. Sie hat mit Prinzessin Maria gesprochen und weiß, dass der König fähig ist, eine unbescholtene Ehefrau zu verstoßen. Er kann sie weit fort vom Hofe schicken, auf eine Burg, wo Kälte und Nässe sie umbringen, wenn dies nicht bereits durch einen Giftanschlag geschieht. Anna hat sogar mit der kleinen Katherine Howard gesprochen und weiß daher, dass der König verliebt ist. Sie weiß, dass ihr zumindest Schande und Scheidung drohen - und schlimmstenfalls das Schafott.
    Und doch sitzt sie hier in der königlichen Loge, den Kopf hoch erhoben, lässt ihr Taschentuch zum Beginn jedes Zweikampfes fallen, lächelt den Sieger höflich an, beugt sich vor, um ihm einen Lorbeerkranz auf den Helm zu setzen, überreicht ihm eine Goldbörse als Preis. Blass unter ihrer hässlichen Haube, verrichtet sie getreulich ihre Pflicht, wie sie es seit ihrer Ankunft in unserem Lande getan hat. Wahrscheinlich ist ihr übel vor Angst, aber ihre Hände sind locker gefaltet und zittern nicht einmal. Als der König sie grüßt, steht sie auf und macht einen respektvollen Knicks; als die Menge ihren Namen ruft, lächelt sie und hebt die Hand. Eine andere Frau hätte um Rettung gefleht. Sie jedoch ist vollkommen gefasst.
    »Weiß sie

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