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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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haben ihre Kammertür verschlossen und die Fensterläden zugesperrt. Ob nun sie eine Gefahr für mich ist oder ich eine Gefahr für sie, wage ich nicht zu fragen.
    Ich habe nach Thomas Cromwell schicken lassen, der immerhin das Wohlwollen des Königs genießt, da er erst vor wenigen Wochen zum Earl of Essex ernannt wurde. Wenigstens Thomas Cromwell wird mir als Freund beistehen, während alle meine Hofdamen hinter vorgehaltener Hand tuscheln und der ganze Hof auf eine Katastrophe eingestellt ist. Aber Mylord Cromwell hat bislang keine Antwort gesandt. Es wird nun immer dringender, dass mir jemand berichtet, was hier vorgeht.
    Es ist sehr heiß heute, und ich fühle mich eingesperrt, wie ein Gerfalke in einem engen Käfig, wie ein weißer Falke, der kaum dieser Welt zugehörig ist, weil er für ein freies Leben in der eisigen Wildnis geboren wurde. Ich wünschte fast, ich wäre wieder in Calais oder in Dover, wo meine Zukunft als Königin von England noch vor mir lag, wo ich noch voller Hoffnung war. Ich möchte überall sein, nur nicht hier, in diesem Palast, wo ich durch die kleinen, bleigefassten Fensterscheiben in den tiefblauen Himmel schaue und mich frage, warum mein Freund Lord Lisle im Tower von London sitzt und warum mein Fürsprecher, Thomas Cromwell, nicht zu mir kommt, obwohl ich ihn so dringend gebeten habe. Er muss kommen und mir erklären, warum der Kronrat seit Tagen in fast geheimer Beratung steckt. Er muss kommen und mir erklären, warum Lady Lisle verschwunden ist und ihr Ehemann verhaftet wurde. Ich hoffe, er kommt bald.
    Die Tür geht auf, und ich fahre aus meiner Versunkenheit auf, erwarte, Thomas Cromwell zu sehen, aber es ist weder Cromwell noch einer seiner Männer, sondern die kleine Katherine Howard, mit bleichem Gesicht und bestürztem Blick. Über dem Arm trägt sie ihren Reiseumhang, und sobald ich ihn sehe, überkommt mich vor Angst eine Welle der Übelkeit. Die kleine Kitty ist verhaftet worden, auch ihr legt man irgendein Verbrechen zur Last! Rasch gehe ich auf sie zu und nehme ihre Hände.
    »Kitty? Was ist? Was ist die Anklage?«
    »Mir geschieht nichts«, keucht sie. »Es ist alles gut. Ich soll nur für eine Weile heim zu Großmutter.«
    »Aber warum? Was hast du getan?«
    Trauer steht in ihrem kleinen Gesicht. »Ich soll nicht mehr Eure Ehrenjungfer sein!«
    »Nein?«
    »Nein. Ich bin gekommen, um Euch Lebewohl zu sagen.«
    »Was hast du getan?«, rufe ich aus. Dieses Mädchen, fast noch ein Kind, kann doch kein Verbrechen verübt haben? Die schlimmsten Dinge, deren Katherine Howard fähig ist, sind Eitelkeit und Tändelei, und solche Sünden werden an diesem Hof nicht geahndet. »Ich lasse nicht zu, dass sie dich wegholen. Ich verteidige dich. Ich weiß, du bist gutes Mädchen. Was bringen sie vor gegen dich?«
    »Ich habe nichts getan«, erwidert sie. »Aber sie sagen mir, es sei besser für mich, fern vom Hofe zu sein, während all dies geschieht.«
    »Alles was? Oh Kitty, sag rasch, was weißt du?«
    Sie bedeutet mir, den Kopf zu senken, damit sie mir ins Ohr flüstern kann. »Anna, Euer Gnaden, meine ich, liebste Königin. Thomas Cromwell ist wegen Hochverrats verhaftet worden.«
    »Hochverrat? Cromwell?«
    »Nicht so laut! Ja.«
    »Was hat er getan?«
    »Er hat eine Intrige mit Lord Lisle und den Papisten geschmiedet, um den König einem Zauber zu unterwerfen.«
    Mir dreht sich der Kopf, ich verstehe nicht ganz, was sie da sagt. »Ein was? Was ist das?«
    »Thomas Cromwell hat jemanden mit einem Zauber belegt«, sagt sie.
    Als sie sieht, dass ich das Wort immer noch nicht verstehe, zieht sie sanft mein Gesicht zu sich herab, um mir wieder ins Ohr zu flüstern.
    »Thomas Cromwell hat eine Hexe an den Hof gebracht«, erklärt sie leise, mit fast tonloser Stimme. »Thomas Cromwell hat eine Hexe angeheuert, um Seine Majestät, den König, zu vernichten.«
    Sie weicht ein wenig zurück, um zu sehen, ob ich jetzt begreife. Das Entsetzen in meinem Gesicht spricht Bände.
    »Das wissen sie bestimmt?«
    Sie nickt.
    »Wer ist Hexe?«, hauche ich. »Was hat sie getan?«
    »Sie hat den König verhext, damit er impotent wird«, sagt sie. »Sie hat den König verflucht, damit Ihr ihm keinen Sohn schenken könnt.«
    »Wer ist Hexe?«, verlange ich zu wissen. »Wer ist Thomas Cromwells Hexe? Wer hat den König impotent gemacht? Wer, sagen sie, ist es?«
    Ihr kleines Gesicht ist vor Angst verzerrt. »Anna, Euer Gnaden, liebste Königin - was, wenn sie sagen, dass Ihr diese Hexe

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