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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Hochzeitstag, möchte man meinen! Ich will ja nichts Unmögliches, ich fordere ja nicht wie diese eine aus der Bibel - ich weiß jetzt nicht, wie sie heißt - als Hochzeitsgeschenk den Kopf eines Mannes. Ich habe doch nur Ärmel aus Zobel gewollt - nicht die Nachricht, dass des Königs Berater geköpft worden ist, während er noch um Gnade flehte.
    Aber so reden diese alten Leute eben. Niemand macht sich Gedanken, wie ich mich dabei fühle; sie haben sich richtig für ihr Thema erwärmt, und sie reden über meinen Kopf hinweg, als wäre ich ein kleines Kind und nicht die neue Königin von England, und dann reden sie über das Bündnis mit Frankreich und dass König Franz uns gegen den Papst unterstützen wird. Und niemand fragt, wie ich mich fühle oder was ich dazu meine.
    Der König greift unter dem Tisch nach meiner Hand und beugt sich vor und flüstert: »Ich kann es nicht abwarten, bis es Abend ist, meine Rose, mein schönster Schatz«, und das ist nicht sehr aufregend, wenn ich bedenke, dass Thomas Culpepper ihn auf den Stuhl heben musste und ihn später zweifellos in mein Bett hieven muss.
    Kurz gesagt, ich bin die glücklichste Frau der Welt, gelobt sei Gott. Doch je länger der Tag dauert, desto unzufriedener werde ich.
    Und je näher der Abend rückt, umso stärker spüre ich, wie mir mein gewohntes Leben fehlt. Als ich noch Königin Anna diente, haben wir Ehrenjungfrauen uns stets vor dem Dinner sorgfältig angekleidet. Wir haben einander begutachtet und liebevoll geneckt, wenn eine ihr Haar besonders gut frisiert oder sich viel Mühe mit ihrem Kleid gegeben hatte. Und immer gab es unter den Mädchen eine, die behauptete, ich würde diesen oder jenen jungen Mann anflirten, und ich errötete dann immer und sagte: »Nein! Überhaupt nicht!«, als sei schon die bloße Vorstellung zu schockierend. Und dann kam die Königin aus ihrer Schlafkammer und lachte uns fröhlich an und schritt uns voraus in die Große Halle, und wir waren immer fröhlich! Immer zog ich die Blicke eines jungen Mannes auf mich, und in den letzten Wochen war es Thomas Culpepper, der mich anlächelte, und die Mädchen versetzten mir Rippenstöße und ermahnten mich, auf meinen guten Ruf zu achten. Aber jetzt schaut er mich gar nicht mehr an. Für eine Königin gibt es wohl nicht mehr viel Amüsement, man könnte fast glauben, ich wäre schon so alt wie mein Ehemann.
    Es war mehr als fröhlich, dieses Leben: Es war lebendig und farbig und jung. Wir waren immer viele Mädchen, eine fröhliche Schar, die viel Spaß zusammen hatte. Und wenn es von Zeit zu Zeit Unstimmigkeiten gab, Eifersüchteleien oder Bosheiten, dann konnte man sich immer bei einer Freundin ausweinen, man konnte einen neuen kleinen Zirkel bilden oder einen neuen Zank vom Zaun brechen. Ich mag es, in einer Bande von Mädchen zu sein, ich mag den Mädchenschlafsaal, ich mochte es, Ehrenjungfer der Königin zu sein, eine in einer Schar.
    Es ist ja gut und schön, Königin von England zu sein, aber noch habe ich keinen Hofstaat. Ich habe keine Freundinnen. Es scheint, als seien hier nur ich und diese alten Leute: Großmama, mein Onkel, der König und seine alten Männer aus dem Kronrat. Die jungen Männer in des Königs Diensten lächeln mich jetzt nicht einmal mehr an, man sollte meinen, sie mögen mich nicht mehr. Thomas Culpepper neigt den Kopf, wenn ich an ihm vorbeigehe, und schaut mir nicht in die Augen. Und die alten Leute reden miteinander über die Dinge, die alte Leute interessieren: über das Wetter, über das schlimme Ende von Thomas Cromwell, über seine Ländereien und sein Geld, über den Zustand der Kirche und die Gefahr durch Papisten und Häretiker, über die Gefahr durch die Männer aus dem Norden, die ihre Klöster zurückhaben wollen. Und ich sitze dazwischen wie eine wohlerzogene Tochter - wie eine wohlerzogene Enkelin eher! - und kann nur versuchen, das Gähnen zu unterdrücken.
    Ich wende meinen Kopf meinem Onkel zu und tue so, als lauschte ich interessiert, und dann wende ich ihn dem König zu. Aber um die Wahrheit zu sagen, höre ich keinem von beiden zu. Ihre Unterhaltung ist wie ein Summen in meinen Ohren, und es gibt keine anderen Lustbarkeiten als die Gespräche dieser alten Leute.
    Dann sagt Heinrich sehr sanft und zärtlich, dass es nun Zeit sei, sich zurückzuziehen, und zum Glück kommt Lady Rochford und holt mich von den Alten fort, und sie hat ein neues, wunderschönes Nachthemd mit einer passenden Haube für mich, und ich ziehe mich im

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