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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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nicht. Er will keine Frau von großer Intelligenz und moralischer Integrität wie Königin Katharina. Und auch keine mit einem feurigen Geist wie Anne. Er will einfach nur ihren schlanken, jungen Körper genießen und zu einem Sohn kommen.
    Es ist schon ganz gut, dass der Hof in diesen ersten Tagen der Ehe nicht anwesend ist. Katherines Familie und andere, die von der Heirat profitiert haben, übersehen es elegant, wenn er sie begrapscht, wenn sie verlegen errötet, weil seine Hand unter dem Tisch ihr Bein streichelt. Wer nicht zu den Nutznießern dieser schlecht zusammenpassenden Partner gehört, könnte es durchaus verstörend finden, dass so ein hübsches, junges Mädchen einem alten Mann aufgetischt wird. Man könnte fast von einer Art Vergewaltigung sprechen.
    Gut, dass keine ehrliche Zunge am Hofe weilt.

 
 
A NNA VON K LEVE , R ICHMOND , 6. A UGUST 1540
 
    Er hat seinen Besuch zum Dinner angekündigt. Aus welchen Gründen er kommt, kann ich mir nicht vorstellen. Gestern kam der königliche Oberhofmeister und teilte meinem Haushofmeister mit, dass der König mir die Ehre erweisen würde, heute Abend mit mir zu speisen. Ich fragte die Damen, die noch bei mir sind, ob es Neuigkeiten vom Hofe gäbe, und eine von ihnen antwortete, dass der König sich im Oatlands-Palast aufhalte; er sehe kaum einen Menschen und gehe viel auf die Jagd, um sich von dem furchtbaren Verrat abzulenken, den Thomas Cromwell begangen hat.
    Eine meiner Damen fragte, ob ich glaubte, der König wolle mich um Verzeihung bitten und zur Rückkehr bewegen.
    »Ist das möglich?«, frage ich sie.
    »Wenn er sich geirrt hat? Wenn die Untersuchung irrte?«, fragt sie dagegen. »Warum sonst sollte er Euch besuchen kommen, so kurz nach dem Ende Eurer Ehe? Wenn es ihm ernst ist mit der Scheidung, warum kommt er dann zu Euch zum Dinner?«
    Ich gehe in meinen schönen Gärten spazieren. Mir schwirrt der Kopf. Es scheint mir unmöglich, dass er mich zurückhaben will, aber ich hege keinen Zweifel, dass er ebenso wenig Skrupel besäße, mich zurückhaben zu wollen, wie es ihm leichtfiel, mich zu verstoßen.
    Ich überlege, ob es mir möglich wäre abzulehnen. Natürlich würde ich gern an den Hof zurückkehren und meine Stellung wieder einnehmen. Aber in einem Leben als alleinstehende Frau liegt eine Freiheit, die ich zu schätzen beginne. Niemals in meinem Leben war ich Anna von Kleve, sondern immer eine Schwester, eine Tochter, eine Ehefrau, das Anhängsel eines Mannes, und niemals Anna, meiner selbst genug. Ich habe geschworen, dass ich, wenn ich verschont würde, mein eigenes Leben leben würde. Ich bestelle Kleider in Farben, von denen ich glaube, dass sie mir stehen, ich muss mich nicht mehr nach den strengen Anstandsregeln meines Bruders richten oder der Hofmode folgen. Ich bestelle mein Essen, wann und wie ich es will, ich muss nicht vor den neugierigen Augen von zweihundert Menschen an einer Tafel Platz nehmen. Wenn ich ausreiten möchte, kann ich so weit und so lange reiten, wie ich will, ich muss weder die Ängste meines Bruders noch den Neid eines alten Ehemannes berücksichtigen. Wenn ich abends die Musiker bestelle, kann ich mit meinen Damen tanzen oder ihrem Gesang lauschen - und dabei brauchen wir nicht nach dem Geschmack des Königs zu schielen. Wir müssen nicht über seine Kompositionen in Begeisterung ausbrechen. Ich kann in meinem eigenen Bekenntnis und mit meinen eigenen Worten zu Gott beten. Ich kann werden, was mir schon immer vorbestimmt war zu werden, ich kann mein Ich ausfüllen.
    Ich hatte geglaubt, mein Herz würde hüpfen vor Freude über die Aussicht, wieder Königin sein zu können. Dass ich meine Pflicht an diesem Land, an seinem Volk und an den Königskindern, die ich inzwischen liebe, wieder erfüllen könnte, dadurch womöglich sogar die Anerkennung meiner Mutter gewänne und den Ehrgeiz meines Bruders stillte. Aber als ich in mich gehe, stelle ich - fast belustigt - fest, dass es besser sein könnte, als alleinstehende Frau mit einem guten Einkommen in einem der schönsten Schlösser Englands zu leben, statt eine von Heinrich eingeschüchterte und gedemütigte Königin zu sein.
    Zuerst kommt die königliche Leibwache und dann sein Gefolge, gut aussehend und wie immer allzu prächtig gekleidet. Dann kommt er selbst, ein wenig hilflos humpelt er mit seinem kranken Bein. Ich sinke in einen tiefen Knicks und habe, als ich wieder hochkomme, den Gestank dieser Wunde in der Nase. Niemals wieder werde ich mit diesem Geruch

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