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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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danken mussten. Ich werde erzählen, dass ich vom ersten Tag an wusste, dass sie eine Schlampe war, dass jedoch Katherine selbst wie auch der Herzog mir befohlen hätten, den Mund zu halten, und ich deshalb nicht frei gewesen sei, meinem Gewissen zu folgen.
    Das ist es, was ich aussagen werde. Sie soll für ihre Verfehlungen sterben, und der Herzog mag auch dran glauben; ich aber werde überleben.
    Das ist alles, was ich zu erwägen habe.
    Meine Zelle geht nach Osten, und jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, wache ich auf und schaue ihr zu. Der Tower wirft einen langen Schatten über das leuchtend grüne Rasenstück, auf dem Anne starb, als ob dieser Schatten wie ein Finger auf mich zeigte. Wenn ich an Anne denke, an ihre Schönheit und ihren Liebreiz, an ihre Klugheit und ihren Witz, dann glaube ich verrückt zu werden. Sie hat auch in diesem Gefängnis gesessen, auch sie ist diese Treppe hinuntergestiegen und auf den Rasenplatz hinausgegangen (den ich sehen könnte, wenn ich mich ans Fenster stellte; aber ich stelle mich nicht ans Fenster). Sie legte ihren Kopf auf den Richtblock und starb einen tapferen Tod, wohl wissend, dass jeder, der einst von ihrem Aufstieg profitiert hatte, sie letztlich verraten hatte. Sie wusste, dass ihr Bruder und ihre Freunde, ihr kleiner Kreis treu ergebener Menschen, tags zuvor gestorben waren, sie wusste, dass ich die verhängnisvolle Aussage gesprochen, dass der Herzog das Todesurteil verhängt hatte und dass der König es zufrieden war. Ich darf nicht daran denken. Ich muss mich in Acht nehmen und meine Gedanken im Zaum halten.
    O Gott, sie hat gewusst, dass ich sie verraten habe! Und auch er starb mit diesem Wissen. Vielleicht war ihm nicht klar, dass ich aus Liebe gehandelt hatte. Sie war so furchtbar, meine Tat, so sehr aus Hass geboren, dass er nicht erkannt haben kann, wie verzweifelt ich mir bis zum Ende seine Liebe gewünscht habe.
    Ich sitze da und starre die Wand an. Ich kann es nicht ertragen, aus dem Fenster zu schauen, ich kann es nicht ertragen, den Initialen an der Wand zu folgen, aus Angst, dass ich auf die seinen stoßen könnte. Ich sitze da und falte meine Hände im Schoß. Für einen unbeteiligten Zuschauer mag ich aussehen wie eine gefasste, unschuldige Frau. Ich bin eine unschuldige Frau. Ich bin so unschuldig und gefasst wie - Lady Margaret Pole, die dort unter meinem Fenster enthauptet wurde. Auch für sie habe ich nie ein gutes Wort eingelegt. Mein Gott, wie kann ich sie überhaupt atmen, die Luft dieses Ortes?
    Nun höre ich das Scharren vieler Füße auf der Treppe. Wie viele Inquisitoren brauchen sie denn für ein Verhör? Der Schlüssel dreht sich klirrend im Schloss, die Tür schwingt auf. Die Langsamkeit dieser Prozeduren erzürnt mich. Glauben sie etwa, sie könnten mich mit dieser zur Schau gestellten Bedrohung einschüchtern? Dann kommen sie herein, zwei Männer und zwei Wachleute. Ich erkenne Sir Thomas Wriothsley, nicht aber seinen Schreiber. Sie machen sich zu schaffen, stellen einen Tisch auf, einen Stuhl für mich. Ich stehe da und versuche unbeteiligt auszusehen, halte die Hände verschränkt. Dann wird mir bewusst, dass ich sie verzweifelt ringe, und ich zwinge mich zur Ruhe. Nun beginnt es.
    »Wir wünschen, Euch über das Benehmen der Königin in Lambeth zu befragen, als sie noch ein junges Mädchen war«, sagt Sir Thomas. Er nickt dem Schreiber auffordernd zu.
    »Darüber weiß ich nichts«, sage ich. »Wie Ihr aus Euren Unterlagen ersehen könnt, hielt ich mich zu der Zeit auf dem Lande auf, in Blickling Hall. Danach gehörte ich zum Hofstaat von Königin Anna, der ich treu diente. Ich lernte Katherine Howard erst kennen, als sie in den Dienst von Königin Anna trat.«
    Der Schreiber macht sich eine Notiz, nur eine. Nun verstehe ich: Er hakt ab. Das bedeutet, sie wussten bereits vorher, was ich sagen würde, es lohnt gar nicht, es niederzuschreiben. Sie haben sich auf dieses Verhör vorbereitet, ich darf keinem ihrer Worte trauen. Sie wissen, was sie sagen wollen und was ich antworten soll. Ich muss bereit sein. Ich muss mich wappnen. Ich wünschte nur, ich könnte klar denken, ich wünschte, meine Gedanken wären nicht so ein Strudel. Ich muss ruhig bleiben, ich muss clever sein.
    »Als die Königin Francis Dereham als Sekretär anstellte, habt Ihr da gewusst, dass er ihr alter Freund und früherer Liebhaber ist?«
    »Nein, ich wusste nichts von ihrem früheren Leben«, antworte ich.
    Wieder macht der Schreiber ein Häkchen. Diese

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