Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
Antwort haben sie erwartet.
»Als die Königin Euch bat, Thomas Culpepper in ihre Gemächer zu holen, habt Ihr gewusst, welche Absichten sie damit verfolgte?«
Ich bin fassungslos. Wie können sie in einem Sprung von Francis Dereham zu Thomas Culpepper gelangen? Woher wissen sie von Thomas Culpepper? Hat er selbst es ihnen erzählt? Liegt er gerade auf dem Streckbrett und erbricht vor Schmerzen und würgt die Wahrheit hervor?
»Darum hat sie mich nie gebeten«, sage ich.
Der Schreiber macht einen Gedankenstrich.
»Wir wissen, dass sie Euch bat, ihn zu holen, und wir wissen auch, dass er kam. Nun, um Euer Leben zu retten, werdet Ihr uns sagen, was zwischen Thomas Culpepper und Katherine Howard vorgefallen ist?«
Der Schreiber wartet mit gezückter Feder. Ich spüre die Worte bereits in meinem ausgedörrten Mund. Sie ist am Ende, er ist ein toter Mann, und ich stehe am Rande des Verrats: wieder einmal.
A NNA , R ICHMOND , D EZEMBER 1541
Sie haben die Herzoginwitwe Norfolk auf dem Krankenbett zum Benehmen ihrer Enkelin vernommen. Sie wird vor Gericht gestellt werden, weil sie dem Mädchen die Ehe mit dem König erlaubte, ohne ihn zu warnen, dass Katherine nicht mehr Jungfrau war. So etwas erfüllt inzwischen den Tatbestand des Hochverrats. Sie wird des Hochverrats angeklagt werden, weil ihre Enkelin sich einen Liebhaber nahm. Wenn sie schuldig gesprochen wird, dann wird wieder ein Kopf einer alten Dame unter Heinrichs Henkersbeil rollen.
Dereham ist zusammen mit Culpepper des mutmaßlichen Hochverrats angeklagt. Der Grund ist, dass beide Verkehr mit der Königin hatten. Dereham ist angeklagt, obwohl es keine Beweise gegen ihn gibt, und die meisten glauben, dass er ihr beiwohnte, lange bevor sie Königin wurde, ja sogar, bevor ich Königin war. Nichtsdestotrotz wird es Hochverrat genannt. Der König hat Katherine Howard als eine »gemeine Dirne« bezeichnet - oh Kitty, dass jemand so von dir sprechen darf! Die beiden jungen Männer haben sich des mutmaßlichen Hochverrats schuldig bekannt und hoffen nun auf Vergebung. Ihr Richter - unfassbar für jeden, der nicht Untertan König Heinrichs ist! - ist der Herzog von Norfolk, der wohl tiefer in diese Dinge verstrickt ist als so mancher andere. Seine Gnaden, der Herzog, ist vom Lande zurückgekehrt, um die Aussagen aufzunehmen: dass seine Nichte Katherine Dereham ein Eheversprechen gab und ihn in ihre Schlafkammer und ihr Bett ließ; dass Dereham in Katherines Haushalt kam, als sie Königin war. Das reicht offenbar, um das junge Paar für schuldig zu erklären. Denn warum, so fragen die Inquisitoren aufgebracht, sollte Dereham für die Königin arbeiten, wenn er sie nicht zu verführen gedachte? Der Plan, dass er hoffte, von ihrem Erfolg zu profitieren wie alle anderen, wie auch ihr Onkel selbst, wird nicht erwähnt.
Culpepper leugnete zunächst, doch nachdem die Hofdamen, und besonders Lady Rochford, ihre Aussagen gemacht hatten, sah er ein, dass er keine Chance mehr hatte, und bekannte sich schuldig. Dereham und Culpepper sollen zuerst gehängt, dann aufgeschlitzt werden. Ihnen werden die Eingeweide herausgenommen, und sie werden zu Tode gehackt für das Verbrechen, bei dem hübschen Mädchen gelegen zu haben, das den König heiratete.
Dies lässt Katherines Schicksal erahnen. Ich weiß es, und ich liege jeden Tag auf den Knien, um für sie zu beten. Wenn die Männer, die Kitty liebten, auf die grausamste Art, die England ersinnen konnte, hingerichtet werden, dann stehen ihre Chancen, Vergebung zu erlangen und freigelassen zu werden, denkbar schlecht. Ich fürchte, sie wird den Rest ihres Lebens im Tower verbringen müssen. Meine Güte, sie ist doch erst fünfzehn! Findet denn keiner, dass sie vor zwei Jahren noch viel zu jung war, um die Dinge zu beurteilen? Glaubt ihr eigener Onkel etwa, ein dreizehnjähriges Mädchen könne der Versuchung widerstehen, wenn es stets seinen Launen frönen darf und so gut wie keine Erziehung genossen hat? Was Heinrich darüber denkt, will ich nicht einmal raten. Heinrich ist wahnsinnig. Er dachte nur an das Vergnügen, das sie ihm bereiten würde, und war überzeugt, dass sie ihn anbetete. Und genau dafür wird sie bezahlen: für die Enttäuschung der eitlen Träume eines Wahnsinnigen. So wie ich dafür bezahlt habe.
Als ich mich voller Ekel in Rochester von ihm abwandte, hasste er mich dafür und bestrafte mich, sobald es in seiner Macht lag, nannte mich dick und hässlich, fand, ich hätte schlaffe Brüste und einen
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