Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Stein, die Mauern sind feucht. Die Wände sind mit den eingeritzten Initialen der Menschen bedeckt, die vor mir hier einsaßen. Ich werde gewiss nicht nach »GB« suchen: Ich glaube, wenn ich seinen Namen läse, würde ich wahnsinnig. Ich werde ganz still am Fenster sitzen und in den Hof schauen. Ich werde nicht die Wände nach seinem Namen absuchen, den kalten Stein nach einem »Boleyn« abtasten. Ich werde ganz still dasitzen und aus dem Fenster schauen.
    Nein, das war kein guter Einfall. Das Fenster liegt über dem Rasenplatz, meine Zelle geht also genau auf den Ort hinaus, an dem Anne geköpft wurde. Ich kann dieses Stück Wiese nicht anschauen, ich kann das leuchtende Grün nicht ertragen - ist es nicht grüner als jeder andere Rasen im Herbst? -, wenn ich auf diesen Rasen schaue, werde ich mit Sicherheit verrückt. So muss auch ihr zumute gewesen sein, als sie wartete. Zu diesem Zeitpunkt wird ihr klar gewesen sein, dass ich genug wusste, um sie dem Scharfrichter auszuliefern. Und dass ich es mit voller Absicht tat. Sie war sich bewusst, dass sie mich gequält und über mich gelacht hatte, bis ich vor Eifersucht außer mir war. Sie muss sich gefragt haben, wie weit ich in meiner Wut gehen würde: bis zu ihrem Tod? Und dann erfuhr sie es. Sie erfuhr es, als ich gegen die beiden Zeugnis ablegte, als ich mit klarer, harter Stimme sprach und sie unwiderruflich verdammte. Nun, jetzt bereue ich diese meine Taten, weiß Gott, ich bereue.
    Mir ist, als hätte ich diese Wahrheit all die Jahre vor mir selbst verborgen. Es brauchte einen harschen Mann wie den Herzog von Norfolk, um diese Wahrheit auszusprechen, und diese kalten Wände, welche die Wahrheit zur Wirklichkeit machen. Ich war eifersüchtig auf Anne, auf ihre Liebe zu George, auf seine Ergebenheit. Ich legte Zeugnis ab, nicht über Tatsachen, sondern über Vermutungen, die ihnen am meisten schaden konnten. Gott möge mir vergeben. Ich nahm Georges Zärtlichkeit und Sorge und Liebe zu seiner Schwester und verwandelte sie in etwas Schmutziges und Finsteres, weil ich es nicht ertragen konnte, dass er zu mir nicht zärtlich und freundlich war, dass er um mich keine Sorge trug. Ich überantwortete ihn dem Henker, um ihn für meine Vernachlässigung zu bestrafen. Und nun bin ich, wie in einem alten Theaterstück mit einem Chor erzürnter Götter, immer noch diejenige, die unter Vernachlässigung leidet. Niemals bin ich einsamer gewesen. Ich habe die größte Sünde begangen, die eine Ehefrau begehen kann, und habe immer noch keine Genugtuung.
    Der Herzog hat sich aufs Land zurückgezogen, Katherine und ich werden ihn nie mehr sehen. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass seine einzige Sorge nun darin besteht, seine alte Haut zu retten und sein geliebtes Vermögen zu schützen. Und der König braucht einen Howard, der für ihn marschiert und kämpft und Todesurteile spricht. Der König mag den Herzog hassen, weil er ihm schon zum zweiten Mal ein ehebrecherisches Weib verschaffte, aber er wird nicht den Fehler machen, auch noch seinen Oberbefehlshaber zu verlieren. Mag sein, dass noch Katherines Großmutter mit ihrem Leben bezahlen muss, falls sie ihr nachweisen können, dass Katherine schon damals unter ihrer Obhut eine kleine Schlampe war und dass sie davon wusste. Dann wird auch die Herzoginwitwe des Hochverrats angeklagt werden: Weil sie es unterließ, den König vor Katherine zu warnen. Wie ich sie kenne, ist sie jetzt gerade dabei, alte Briefe zu zerreißen, ihre Diener auf Verschwiegenheit zu trimmen, alte Gefolgsleute loszuwerden und ihre Zimmer auszuräuchern. Vielleicht ist sie fähig, so vieles verschwinden zu lassen, dass sie nichts mehr zu fürchten hat.
    Aber was ist mit mir?
    Mein Weg ist klar vorgezeichnet. Ich werde nichts von Thomas Culpepper erzählen, und von Francis Dereham werde ich lediglich berichten, dass er auf Bitte der Herzoginwitwe in den Dienst der Königin kam und dass unter meiner Aufsicht nichts geschehen ist. Wenn sie allerdings das Verhältnis mit Thomas Culpepper in Erfahrung bringen (und wenn sie nur ein wenig genauer hinschauen, finden sie es heraus), dann kommt alles ans Licht. Dann werde ich aussagen, dass die Königin bereits damals in Hampton Court, als der König zum ersten Mal krank war, mit Culpepper das Lager teilte, dass sie während der ganzen Sommerreise mit ihm schlief, als sie sich in anderen Umständen glaubte; dass sie mit ihm schlief bis zu dem Tag, als wir alle auf Knien rutschen und Gott für diese Königin

Weitere Kostenlose Bücher