Das Erbe Der Loge: Roman
Mutter an Motzkin erschien in meinem Kopfkino. »Ja, kann ich«, murmelte ich und tastete mich durch die Videoprogramme des Bordkinos.
»Siebenundsechzig Jahre habe ich Kögel geheißen, und nun stimmt das alles nicht mehr.« Er kramte in seinen Jackentaschen und zog drei sorgsam gefaltete Blätter Papier hervor. »Lesen Sie«, hielt er sie mir hin, »und sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
Ein Blatt trug das Signum des Suchdienstes des Roten Kreuzes, mit dem Datum »12. Oktober 1953« und hatte als Adressaten eine Frau Judith Krodensky-Stösser, Köln. Das andere war ein Auszug neuesten Datums aus dem Zentralarchiv des BND. Das dritte erkannte ich sofort an der Handschrift wieder:
Köln, 23. Dezember 1953
Geliebter Joshua,
ich habe das Foto von dir in der Zeitung gesehen. Ich war etwas traurig, dass du bei deinem Besuch mit der Delegation nicht die Zeit gefunden hast, mich zu kontaktieren. Ich habe nämlich eine gute Nachricht. Das Rote Kreuz hat David gefunden. Leider wurde er 1938 einer linientreuen Familie als Adoptivkind zugesprochen. Die Familie heißt Kögel, und der Herr Kögel war zu NS-Zeiten Major bei der Abwehr. Ich habe mich mit dem Rabbi besprochen. Der meint, dass es für den Jungen nicht gut wäre, wenn ich jetzt Ansprüche auf ihn erheben würde. Ich habe mich dem Rat gefügt, denn zum Glück habe ich immer noch Peter-Maria. Er hat sich prächtig gemacht. Nur sind ihm die Trümmerspielplätze leider lieber als die Schulaufgaben. Vielleicht findest du mal die Gelegenheit, mir über dein Befinden zu berichten.
In Liebe
Judith
Das war mehr, als man an einem Tag ertragen konnte. Meine, unsere Mutter, hatte bei meiner Geburt ihren Mädchennamen »Stösser« wieder angenommen. Schweigend gab ich Kögel die Papiere zurück und hieß die Stewardess, eine Flasche Whisky zu bringen.
»Das Schreiben ist echt. Ich habe es überprüfen lassen«, schaute Kögel in die Nacht hinaus und schnäuzte sich diskret.
Wir waren Brüder.
»Seit wann wissen Sie das?«
»Du, Brüderchen, wir sind per Du.« Kögel tupfte sich die Tränen aus den Augen. »Dieses Schreiben unserer Mutter kam einen Tag, nachdem du das erste Mal über den Fund am Dom berichtet hast. Anfangs hielt ich es für einen üblen Scherz. Aber dem Schreiben lag noch dieses Foto der 108. Kompanie und das schwarze Buch bei, mit denen ich zunächst nichts anfangen konnte. Dass ich als Zweijähriger plötzlich eine andere Mutter bekam, daran konnte ich mich noch ganz schwach erinnern. Dass mein Adoptiv-Vater der dreiunddreißigste Mann damals war, habe ich auch erst durch ... Darf ich mal?«, er griff in meine Brusttasche und zog mein Handy hervor, »... durch das erfahren.«
Wie Sam vor Tagen nahm er es gekonnt auseinander und hielt mir einen stecknadelgroßen Gegenstand in seiner Handfläche hin.
»Ich hatte diesen Sam unterschätzt«, fuhr er, nunmehr zufrieden lächelnd, fort. »Die alte Technik in deinem Gerät war von ihm leicht zu orten. Also musste ich dich für ein paar Stunden, mit der sehr leicht zu bekommenden Unterstützung von Staatsanwalt Fröhlich, einlochen, um dir eine nicht ortbare, neue Technik einzupflanzen. Aber das brauchen wir jetzt nicht mehr.« Er ließ das Mikro-Mikrofon in den Aschenbecher gleiten und grinste.
»Mach nicht so ein dummes Gesicht. Es ging nicht anders, um dich vor Dummheiten zu schützen. Und da du mir freiwillig ohnehin fast nichts erzählen wolltest, musste ich einen Weg finden, um Mäuschen zu spielen. Außerdem macht es vor der Familie einen guten Eindruck, wenn der Onkel nicht korrupt ist. Sich auch nicht scheut, einen Verwandten hinter Gitter zu bringen.«
Meine Synapsen standen kurz vor dem Zusammenbruch. Die Anzahl der Informationen in dieser kurzen Zeit trieben meinen Blutdruck in schwindelnde Höhen.
Sie-Kögel war jetzt zu Du-David geworden. Eine seltsame Wendung. Kögel war mein Bruder, und er hatte alles mitgehört. Zumindest, wenn ich das Handy dabeigehabt hatte. Und das war anscheinend ein paarmal zu oft gewesen.
»Woher kamen dieser Brief und das schwarze Buch?«
»Kam per Post. Kein Absender. Abgestempelt in Köln. Mehr war nicht zu erfahren.« Er setzte mein Handy wieder zusammen und reichte es mir. »Brüderchen, mach nicht so ein nachdenkliches Gesicht. Es handelt sich um ein Spiel. Ein sehr böses Spiel. Wenn du rechnen könntest, dann wäre dir schon längst aufgefallen, dass ich bereits in Pension sein müsste. Bin ich aber nicht. Du musst jetzt fragen, warum
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