Das Erbe Der Loge: Roman
war. Arbeitslos. Nachfolger von Dr. Junke wurde automatisch mein von mir gehasster Chefredakteur. Sein Schwiegersohn.
»Warum glauben Sie, dass sich jemand wegen des entgangenen Erbes der Loge an diesen Leuten rächt? Die hatten doch schon vom Alter her nichts damit zu tun?«, versuchte ich meine durchgedrehten Gedanken wieder auf eine kontrollierbare Ebene zu steuern.
Kögels Gesicht verlor sein aufgesetztes Lächeln, und er warf mit einem großen Schwung seinen stinkenden Stummel aus dem geöffneten Fenster.
»Wie ich festgestellt habe«, er ging in die Küche und setzte wie selbstverständlich die Kaffeemaschine in Gang, »waren die Vorfahren der Toten alle irgendwie mit der Loge verbunden. Entweder sie waren nichtjüdische Mitglieder oder arische Schwiegersöhne, die nach 1936 plötzlich nicht mehr verheiratet sein durften. Wenn Kinder da waren ... Ich darf nicht darüber nachdenken. Wussten Sie, dass Ihr Verlag bis 1935 zwei jüdische Besitzer hatte? Nein. Natürlich nicht. Ähnlich lassen sich Verbindungen der anderen Toten als Nutznießer des Logenerbes herstellen, an denen sich irgendwer für sein entgangenes Erbe jetzt rächen will. Mit dem Fund des Kastens ist etwas losgetreten worden, auf das dieser Jemand gewartet hat. Auf die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.«
Er schenkte Kaffee ein und schnitt mir ein Brötchen auf. »Käse, Wurst? Es ist alles da.« Er packte eine Plastiktüte vom Supermarkt aus, die er bisher meinen Blicken entzogen hatte. »Nun essen Sie schon. Bis morgen gibt es nicht viel. Ich möchte Sie nämlich zu einer kleinen Reise einladen ...«
»Ich muss sparen und habe keine Lust auf eine Reise.« Ich bestrich mir das Brötchen dick mit Butter, Käse und setzte ein Häubchen Quittengelee obendrauf.
»Ich sagte, dass ich Sie einlade«, kaute Kögel auf seinem Brötchen mit Wurst und Senf herum. »Es kostet Sie nichts. Im Gegenteil. Sie können dabei eine Menge Geld verdienen, als Zeitzeuge einer unglaublichen Story.«
Nicht schon wieder!, schrie es in mir auf. Der Wievielte war das jetzt, der mich mit der Story meines Lebens zu ködern versuchte? Es hatte mehr als zwei Tage gedauert, bis ich mich von der Erkenntnis erholt hatte, dass damit nicht die Erfolgsgeschichte meiner beruflichen Laufbahn zu machen war. Nun tauchte ein Hauptkommissar auf und wollte mich auch noch dafür bezahlen, dass ich sie schrieb.
»Wohin soll die Reise gehen und wozu?«
Kögel präparierte sein zweites Brötchen. Dieses Mal war der Senf unten und die Wurst oben. »Nach Südafrika.«
Einen langen Moment hatte ich damit zu kämpfen, den Schluck Kaffee von der Luft- in die Speiseröhre umzuleiten.
»Südafrika?«, keuchte ich mit erstickter Stimme. »Wissen Sie überhaupt, wo das liegt?«
»Etwa elf Flugstunden von Frankfurt. Hier ist Ihr Ticket. Ich hole Sie in fünf Stunden ab.« Er erhob sich und wischte sich die Brotkrümel mit der Handfläche aus dem Gesicht. »Es ist zwar jetzt Winter da unten. Aber nehmen Sie trotzdem nur für eine Woche leichte Sachen und Ihre Kamera mit, und vergessen Sie den Pass nicht!« Mit diesen Worten verließ er die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu.
Südafrika. Kögel wusste etwas, was mir entgangen sein musste. Egal, wer in den vergangenen Tagen und Wochen etwas über den Verbleib der Loge nach 1936 erzählt hatte, in allem war dieses Land der Ausgangspunkt für die weiteren Ereignisse gewesen. Was hatte er vor?
Kögel hatte an nichts gespart. Nur um rauchen zu können, hatte er uns eine Fluglinie ausgesucht, bei der man in der ersten Klasse noch seinen Nikotinbedarf ungeniert decken konnte. Nach dem Flugpreis fragte ich besser nicht. Die Tickets für zwei Personen durften wohl die Hälfte seines Jahresgrundgehaltes aufgefressen haben, was der Reise einen noch höheren Stellenwert einräumte, als ich bisher vermutet hatte. Gesprochen wurde wenig während der ersten sechs Flugstunden. Das Abendessen hatte aus einem Krabbencocktail in Champagner-Sorbet, Lachs auf Seefarn mit einer Krillsauce und als Nachspeise einer Art Polenta mit Himbeersirup bestanden. So ließ es sich leben, befand ich und gab mich dem Traum hin, was ich alles mit viel Geld machen würde.
»Können Sie sich vorstellen, dass man siebenundsechzig Jahre alt werden muss, um zu erfahren, wer sein leiblicher Vater ist?«, unterbrach Kögel das monotone Brummen der Triebwerke. Mein Bildschirm zeigte, dass wir in fünfunddreißigtausend Fuß Höhe den Äquator überflogen.
Das Schreiben meiner
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