Das Erbe Der Loge: Roman
den Kasten zu überbringen. Kurz darauf ist dieser Steinmetz tot...«
»... und Goldrausch gerät in Panik«, flocht ich Hannahs Ausführungen weiter. »Der Kasten hatte kein Schloss mehr, und die Diamanten waren weg. Er musste davon ausgehen, dass jemand hinter das Geheimnis der Loge gekommen war.«
Hannah nickte, und Odilo kroch wieder auf die Sesselkante vor.
»Der Kasten ist 1945 von Hannahs Großvater an den damaligen Dompropst übergeben worden«, klinkte er sich nun ein, »der das einzig verbliebene Mitglied der Ur-Loge in Köln war. Aber erst 1953 wurde er auf Geheiß von Goldrausch in dieser Höhe eingemauert. Die Geschäfte liefen für Goldrausch so gut, dass er einen Hinweis auf die alte Loge nicht mehr gebrauchen konnte. Denn den Code, den der Rabbi entschlüsselt hat, hatten er und Hannahs Großvater entwickelt.«
»Jetzt kamen zwei entscheidende Faktoren zusammen«, übernahm Hannah die Stafette. »Der Professor war ihm durch seine Recherche über die Zeitungen und die Buchhaltung der von den Nazis enteigneten Firmen auf der Spur, und er wusste nicht, ob schon jemand den Code im schwarzen Buch geknackt hatte. Dann tauchte der Tarot-Mörder in der Presse auf. Damit ahnte er, dass jemand den von ihm erpressten Männern auf der Spur war, deren Vorfahren sich am Erbe der Loge bereichert hatten. Denn genau dieses Wissen hatte Goldrausch benutzt, um wieder im alten Einflussbereich der Chesseddie Macht zu übernehmen. Nach seiner Ausweisung aus den USA war das Rheinland seine einzige Rückzugsmöglichkeit, um ungestört neuen Geschäften nachzugehen.«
»Und da muss er sehr schlau vorgegangen sein«, erwachte Kitty aus ihrem beobachtenden Schweigen. »Denn alle - ich sage alle -, die auf den Fotos sind, waren in der einen oder anderen Weise Kunden im Club. Goldrausch hat sie nicht nur erpresst. Nein, er war schlau, sehr schlau. Er hat die Erpressten zu seinen Partnern in der Stiftung gemacht. Da er zusehends körperlich verfiel, wurden diese Männer, alle in wirtschaftlich entscheidenden Funktionen, seine Erfüllungsgehilfen.«
»Wobei?«, wollte ich wissen, denn mir war nicht klar, was ein Verleger oder ein Staatsanwalt für Hilfestellung leisten konnten.
Odilo lächelte gequält. »Gibt es einen besseren Rechtsberater als einen Staatsanwalt, der ständig über seine Verhältnisse lebt? Gibt es einen besseren Informanten im Zentrum der politischen Entscheidungen als einen Landtagsabgeordneten, der aus nichtöffentlichen Sitzungen berichtet? Und, das müsstest du doch wissen, bist ja selbst das Paradebeispiel, gibt es eine bessere Schnüfflertruppe als ein Dutzend Journalisten?«
»Was regt ihr euch dann noch auf?«, fasste ich für mich zusammen. »Mit Joshuas Coup sind die doch alle aus dem Verkehr gezogen ...«
»Eben, das ist das Problem«, hauchte Hannah in einer Rauchwolke von sich. »Jetzt ist jeder von denen gewarnt und hat Zeit genug, seine Spuren zu verwischen. Und die zu rekonstruieren wird für uns schwer sein.«
»Uns? Wer ist uns?«
Die drei schauten sich fragend an.
Einen Moment herrschte angespanntes Nachdenken und nonverbale Kommunikation.
»Na ja«, hob Hannah an. »Sagen wir es mal so. Die Aktion unserer Mossadleute, Auge um Auge, Zahn um Zahn, war übereilt. Wir, das ist unser israelisches Innenministerium und euere Sonderabteilung für Wirtschaftsverbrechen, hätten gerne ein anderes Abkommen mit dem noch lebenden Goldrausch getroffen. Mit neunundneunzig Jahren wäre bei ihm ohnehin jede Strafverfolgung ins Leere gelaufen. Aber die Informationen, die er nun durch diesen voreiligen Abgang mitgenommen hat, sind Milliarden wert.«
Kitty und Odilo nickten, als wüssten sie, um wie viele Milliarden es ging.
»Die Waffengeschäfte sind nicht mehr der große Wurf«, setzte Kitty die Umschreibung auf meine Frage fort. »Das weiß ich aus den Gesprächen im Club. Da mischt inzwischen die Russenmafia mit und bestimmt den Markt.«
»Genau«, trug Odilo seinen Teil zur Nichtaufklärung bei. »Es gibt viel lukrativere Geschäfte und davon bin ich auch betroffen. Der Wissensklau. Die Bayer-Werke investieren Milliarden in die Forschung. Meine Abteilung befasst sich zum Beispiel mit fotoadressierbaren Polymeren, die die Sicherheitstechnik revolutionieren werden. Nur, jedes Mal, wenn wir glauben, ein Produkt serienreif zu haben, bringt es die Konkurrenz auf den Markt.«
»Und dieses System hat Goldrausch anscheinend mit seinen Stiftungsmitgliedern in den Industrienationen zur Perfektion
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