Das Erbe Der Nibelungen
Weg.«
Sie ergriff die Hand ihres Mannes und sah Christer so liebevoll an, dass ihm nicht mehr nach Scherzen war. Wieder einmal dämmerte ihm, wie glücklich er sich schätzen konnte und welches Geschenk das Leben ihm gemacht hatte.
Auf dem Weg zu den Schlafgemächern hielt Sigfinn an einem offenen Fenster inne und beugte sich so weit hinaus, dass er auf den Vorplatz von Burg Isenstein zu stürzen drohte. Er sog den Anblick auf - von Menschen, Tieren, buntem Treiben. Das Licht der Sonne prickelte auf seinem Schädel, und es roch nach Salz und Meer.
»ISLAND!«, schrie er aus purer Lebensfreude. Einige der Untertanen sahen zu ihm hoch und hoben freundlich die Hände zum Gruß.
Dann rannte Sigfinn weiter, angetrieben von einer Leidenschaft, die ihm nicht einmal vor Brynjas Tür zu klopfen erlaubte. Stattdessen stürmte er in ihr Gemach, wo sie noch schlafend unter einem fein gewirkten Laken ruhte. Es drängte ihn, sie anzuschauen, wie sie im Traum sich wälzte, doch das Blut ließ ihm keine Zeit dazu, und er sprang jauchzend zu ihr, sie mit seinem Körper großzügig bedeckend. Aller Schmerz wich aus seinen Knochen.
Vom Gerüttel ihres Bettes jäh geweckt, fand Brynja sich unter dem Prinzen von Island gefangen, sein Becken an ihrem Becken, seine Brust an ihrer Brust, seine Hände in ihre
gekrallt. Sie blickte ihn mit großen Augen an, hellwach und von unerklärlichem Glück durchspült. »Sigfinn.«
Sie fanden einander wieder, zum ersten Mal. Bestätigten einander ein Versprechen, das vorher nie gegeben worden war. Als Kinder waren sie zu Bett gegangen, als Mann und Frau erwacht. Brynja strich ihm über die Wange. »Dein Bart kratzt.«
Er küsste sie hungrig und verboten, und sie nahm es auf, als wäre es nicht gegen alle Regeln des Hofes. Er fragte nicht danach, was sie ihm sowieso nicht verweigern wollte.
Sie gehörte ihm. Er gehörte ihr.
»Du wirst nie wieder gehen«, flüsterte er in ihren Nacken. »Keine Tagesreise mehr getrennt, nie wieder.«
Sie schlang die straffen Schenkel um ihn und presste seine Lust an sich. »Nie mehr ein Morgen ohne dich.«
Keiner von beiden wusste, was die Nacht gebracht hatte, dass sie einander so verfallen waren. Doch beide wussten, dass es richtig war und sein musste.
Mit beiden Händen packte Sigfinn das dünne Nachthemd vor ihrer Brust und riss es auseinander, um die zarte Haut darunter mit Küssen zu bedecken. Sie griff in seine Haare und drückte ihn an sich. Ihr Körper schmerzte vor Verlangen.
»Ein Kind«, flüsterte Sigfinn, als er zart in ihre Knospen biss. »Wir werden heute ein Kind zeugen.«
Sie war unberührt, doch es machte Brynja keine Angst, und eine Träne der Vorfreude lief über ihre Wange. »Eine Tochter. Unsere Tochter.«
Sie wusste auch schon den Namen, den sie dem Kind geben würde …
Augustin küsste seine Frau auf die Wange, die Sense schon über der Schulter, ein grobes Tuch für den Schweiß am Gürtel. Es würde ein langer Tag auf dem Feld werden, aber das grämte ihn nicht. Ein langer Tag war ein guter Tag, und die Ernte versprach in diesem Jahr üppig zu werden.
»Gib auf dich acht.«
Glismoda strahlte ihn an, wie sie es immer zum Abschied tat, und er freute sich schon darauf, dass sie ihm sein Mittagessen bringen würde. Balder, ihr Ältester, kam aufgeregt angelaufen, drängte sich an den Eltern vorbei und rannte den Weg zum Dorf hinauf, um seine Freunde zum Spiel zu finden. Irgendwo in der Schlafkammer schrie die kleine Ulla, hungrig wie immer.
Als Augustin zum Feld marschierte, nahm Glismoda die Arbeit in dem kleinen Häuschen auf sich, fütterte ihre paar Hühner und holte bei der Nachbarin Milch für die Kinder, im Tausch für Eier. Den Krug ließ sie von Niketas tragen. Der kleine Junge entwickelte sich prächtig, und in ihrem Herzen musste Glismoda sich eingestehen, dass sie ihn von ihren Kindern am liebsten hatte. Er spielte nie außer Sichtweite und war unglücklich, wenn seine Mutter ihn zum Abend nicht an sich drückte.
Irgendwann war eine Minute Ruhe, und Glismoda trat aus dem Schatten des niedrigen Vordaches, um nach Osten zu sehen. Dort, kaum zwei Stunden Fußmarsch entfernt, lag Worms am Rhein. Augustin hatte ihr oft angeboten, in die Stadt zu ziehen, die sich malerisch an die Hügel schmiegte. Doch Glismoda empfand immer eine gewisse Unruhe bei dem Gedanken, in engen Straßen und Gassen zu leben, vielleicht ärmlich in einem Verschlag.
Nein, sie war Bäuerin von ganzem Herzen. Und so packte sie den Korb mit der
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