Das Erbe Der Nibelungen
des alten Glaubens war. Hagens Leichnam warf man in den Rhein, in Schande und Verachtung.
Seine Tochter Elsa, die nun keinen Platz bei Hofe mehr beanspruchen konnte, wollte Burgund verlassen, fand aber endlich ihr Herz bei Prinz Gernot. Ihre war die einzig reine Liebe in dieser schwarzen Zeit.
In Xanten wurde der Knabe geboren, den Kriemhild Siegfried nannte, zum Gedenken an den gefallenen Vater. Obwohl sie das Reich mit Umsicht regierte und Wohlstand herrschte überall, konnte sie vom Gedanken an Rache nicht lassen. Sie ließ den Etzel zu sich rufen, dessen Krieger stark und entschlossen waren. Ihm gab sie sich zur Ehefrau und zog nach Gran, weit im Osten. Dort richteten die beiden ihre Hochzeit aus, ganz im Brauch der Steppenvölker. Der Hof von Burgund wurde zur Feier geladen, und mit großem Gefolge kam Gunther über die Donau. Er hoffte, die Zeit habe seine Schwester milde gestimmt - auch wenn der tote Hagen, in seinen wirren Augen ständig zugegen, ihm Vorsicht einflüsterte.
An einem lauen Abend, bei einem großen Gelage, dem friedlichsten seit langem, tranken Hunnen, Xantener und Burgunder auf die Freundschaft - und Kriemhild gab das Signal, alle Männer ihres Heimatreiches aus Rache für den Verrat an Siegfried abzuschlachten. Die Klinge gegen ihren Bruder führte sie selbst, und sie starb mit ihm zusammen. Etzel konnte nur zusehen, wie seine Frau dem Fluch der Nibelungen erlag, die niemals vergessen hatten, wer mit ihrem Gold sich schmückte. Der Hunnenkönig nahm das Kind Siegfried, übergab es dem entsetzten Prinz Gernot und schickte ihn heim nach Burgund. Noch über Generationen erzählten sich die Hunnen am Feuer von der Bluthochzeit und der rachsüchtigen Königin Kriemhild von Xanten.
Gernot kehrte tatsächlich nach Xanten zurück - doch
nicht, um den Thron zu besteigen. Stattdessen gab er den Nibelungen ihr Gold zurück und nahm die wunderbare Elsa zur Frau. Gemeinsam zogen sie mit Jung-Siegfried nach Island. Weit weg von Burgund, von Xanten, von den Nibelungen. Weit weg vom Spiel der Götter.
So dachten sie.
Siebzehn Jahre lang sahen die alten Götter zu, wie Elsa und Gernot Island in Liebe und christlichem Glauben führten, wie sie die eigene Tochter Lilja bekamen, während sie Siegfried unter dem Namen Sigurd als eigenes Fleisch und Blut aufzogen. Doch der Junge war von der Seele her wie der Vater, den er nie kennengelernt hatte. Es trieb ihn zu Abenteuern in die Welt hinaus, und auch die vielen Jagden mit seinen Freunden Jon und Gelen konnten ihn nicht genug ermüden, um davon abzulassen. Während Gernot einsah, dass Sigurd den Kontinent bereisen musste, um ein Mann zu werden, war Königin Elsa von ganzem Herzen dagegen. Im Traum war ihr die Walküre Brunhilde auf dem Flammenross erschienen und hatte für Sigurd die Freiheit gefordert, sein Erbe anzutreten. Nichts hatte Elsa je mehr geängstigt, und sie war entschlossen, einer neuen Generation Leid und Elend zu ersparen.
Doch ein junges Herz passt in keinen Käfig, und so machte sich Sigurd gegen den Willen seiner Eltern auf ins dänische Fjällhaven, wo er von willigen Weibern und Weinfässern im Überfluss gehört hatte. Die Männer fanden, was Männer suchen, und schlugen sich im Trunk vergnügt mit rauflustigen Langobarden, bis der Wirt sie aus der Taverne warf und die junge Schankmagd Liv dem Sigurd im Heu das Feuer seiner Lust löschen half.
So wäre es vielleicht ein paar Monate oder ein Jahr gegangen, bis Sigurd nach Island zurückgekehrt wäre und
er seine Eltern um Verzeihung gebeten hätte. Er konnte nicht ahnen - und es war im Sinne der Götter, dass er es nicht ahnen konnte -, dass Wulfgar, der finstere König von Xanten, mit seinem Heer übergesetzt hatte, um das kleine Island zu unterwerfen. Es war sicher nicht das Schwert Sigurds, das zur Verteidigung von Burg Isenstein fehlte, und schnell war der Königssitz belagert. Auf keinen Verbündeten konnte König Gernot setzen, auf keinen kleinen Pfad, der die Familie ins Exil hätte retten können. Um Erniedrigung und Folter zu entgehen, entschieden sich Gernot und Elsa, Wulfgar mit einem letzten Trank die Genugtuung zu nehmen, das Königshaus Island gemeuchelt zu haben. So starb Sigurds Familie, während er in Fjällhaven zechte und durch die Nacht hurte.
Woher ich all das weiß? Wir Nibelungen sind überall und nirgends, und wenn der Wald auch unsere Heimat ist, so sehen unsere Augen von den Wolken herab, hören unsere Ohren aus dem Gras unter deinen Füßen. Wir sprechen mit
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