Das Erbe Der Nibelungen
durchzogen von einem kleinen geraden Bach, in der Mitte nur ein Schmiedefeuer und das Werkzeug des Wieland, der ihn freundlich aufnahm. Hier, zwischen Midgard, Utgard und Asgard, verweilte Siegfried ohne Zeit, während der stete Hammerschlag des Schmieds die bleierne Luft erfüllte.
Doch weder die Götter noch die Nibelungen waren zufrieden, was Brunhildes Einmischung in Siegfrieds Schicksal anging. Auf die Schlacht zwischen dem Söldnerheer und Xanten hatten sie schon verzichten müssen, das
friedliche Glück von Xandria und Siegfried war ihnen ein Gräuel. Wo keine Gier mehr war, kein Hass, kein Schicksal, da drohte das Rad des Lebens zum Stillstand zu kommen, und nichts langweilt die Götter mehr, als der Mensch in Friedenszeiten. Den bedächtigen Siegfried in die Raserei zu treiben, das war ihr erklärtes Ziel - und um es zu erreichen, schickten sie die schwarzen Horden aus Utgard. Widerliche kleine Gestalten, mit fleischigen Mündern, schmutzigen Leibern und leeren Seelen, vor denen sich selbst die Nibelungen in Ekel abwandten. Sie fielen über die Burg her wie die Pest, ließen Leichen an jeder Ecke zurück und nahmen die Prinzessin mit ins Reich der Unterwelt, als Pfand und Gegenstand grausamer Spiele. Was Siegfried tun würde, um seine Geliebte zu retten, war nicht die Frage - sondern was würde er nicht tun? Die Horden zerrten grob an Xandria, vergingen sich an ihrem zarten Leib und kratzten ihr Wunden, ohne den Lebensfunken selbst anzutasten. Es galt, den Helden Siegfried zum grausamen Unhold zu machen, zum Rachegeist, damit das Rad sich weiter drehen konnte …
So kam Siegfried mit Nothung nicht in seine Heimat zurück, sondern in ein verbranntes Reich ohne Leben, mit faulenden Toten und hungerndem Vieh. Er fand die Burg verlassen, von seiner Xandria keine Spur. Einzig Brunhilde stand ihm traurig Rede und Antwort, berichtete vom neuesten Verrat der Götter, die sich nicht darum scherten, Siegfrieds Taten gerecht zu entlohnen. Und Siegfried tat, was die Götter sich erhofft hatten: er nahm Brunhildes Flammenross und ritt durch die Erdscheibe nach Utgard, um Xandria zu retten. Ungeheuer warteten dort, Trugbilder, falsche Versprechen, doch nichts konnte ihn täuschen oder aufhalten. Mit Nothungs Klinge bahnte sich der Erbe
Xantens den Weg durch die Unterwelt, die bald von Wehklagen ob seiner Gnadenlosigkeit erfüllt war. In Tagen fand er seine Königin - nur um zu entdecken, dass in dieser freudlosen Welt Jahre vergangen waren. Jahre, in denen Xandria auf das schändlichste misshandelt worden war, ohne Hoffnung und Trost. Ihren Körper hatten die Horden gebrochen, irgendwann ihre Seele - und schließlich ihren Geist. Das Wesen, das Siegfried befreien konnte, war nur noch eine wahnsinnige Furie, jedes menschlichen Funkens entleert. Trotzdem nahm er sie in die Arme, presste sie an sich und brachte sie zurück auf die Burg Xanten, die nun ihre hätte sein sollen. Er saß eine letzte Nacht bei ihr, und im Morgengrauen umarmte er sie so fest, dass ein letzter Atem ihre Lungen verließ. Es war der einzige Liebesdienst, den er ihr noch erweisen konnte.
Brunhilde war das Herz schwer, weil der Sohn ihres Geliebten keine Ruhe fand. Die Unsterblichen ergötzten sich an dem Gedanken, was Siegfried nun tun würde, wie er, vom Leben verraten und gehärtet, jeden Gegner gnadenlos vernichten würde.
Doch in diesem Moment, im größten Schmerz, fand Siegfried von Xanten seinen eigenen Weg, jenseits aller Ränkespiele.
Er verzichtete.
Auf Xanten, auf das Schwert, auf die Rache. Stattdessen verbrannte er den Leichnam seiner Xandria und schwor dem Schicksal ab. Nicht mehr Werkzeug der Götter, nicht mehr Spielzeug. Wo ein Mann nichts mehr sucht, ist er auch nicht mehr zu verführen.
Mit erstaunlich leichtem Herz verließ Siegfried das Reich, das ihm versprochen war. Sollte ein anderer König es sich nehmen, ein anderes Heer es erobern.
Ohne Hast, ohne Drang ritt Siegfried nach Fjällhaven, um von dort nach Island überzusetzen. Nicht als König, nicht als Eroberer, sondern als Sohn Islands, den es zurück in die Heimat trieb. Die wilde Flamme, die ihn noch vor einem Jahr als Jüngling in die Welt getrieben hatte, war erloschen, und seine Seele wärmte sich an ihrer ruhigen Glut. So fand er auch die Zeit, nach Liv zu fragen, der jungen Schankmagd, die er am Hafen verlassen hatte, ohne ihr eine Rückkehr zu versprechen. Groß war seine Überraschung, als sie ihm seinen Sohn mitbrachte. Nicht mit Anspruch, nicht mit der
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