Das Erbe der Phaetonen
fliegen und seine Ge- schwindigkeit auf fünfzig Kilometer in der Sekunde steigern. Vor Erreichen der Umlaufbahn der Venus sollte es erneut eine Kurve beschreiben, diesmal nach rechts, und sich so hinter den Planeten, in die unmittelbare Nähe des Raumschiffs der Phae- tonen, manövrieren. Dann begann der schwierigste Teil des Plans. Es galt, sich dem äußeren Ring ganz dicht zu nähern, sich an ihm festzuhaken, damit eine plötzliche Geschwindigkeits- beschleunigung des „Phaetonen“ die Operation nicht zum Schei- tern brachte, und in Raumanzügen ins Innere einzudringen.
Das war der Plan des Kommandanten.
Die sieben Besatzungsmitglieder der „SSSR-KS 3“ hießen ihn
gut. Sie alle waren von dem Wunsch beseelt, die Freunde zu ret- ten. Nachdem diese Aufgabe für sie plötzlich real geworden war, nahm sie ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und sie dachten nicht daran, und wollten es auch gar nicht, welch schwere Belastung ihnen bevorstand. Durch die Wendung bei voller Ge- schwindigkeit und in einer verhältnismäßig engen Kurve spar- ten sie mehrere wertvolle Stunden ein. Das war die Hauptsache. Konnten doch gerade diese wenigen Stunden die entscheidende Rolle spielen.
Das erste Wendemanöver begann. Es war auf nahezu drei Stunden berechnet. Ebensoviel Zeit erforderte auch das zweite.
Bei einer Geschwindigkeit von vierzig Kilometern in der Sekunde ist die Zentrifugalwirkung beträchtlich. Das Gewicht aller Gegenstände und Körper im Raumschiff nahm gegenüber seinem gewöhnlichen Gewicht auf der Erde erheblich zu. Jede Bewegung kostete große Mühe. Die Besatzung lag in den Hänge- matten und überließ es dem Autopiloten, den festgelegten Kurs zu halten.
Aber nicht alle konnten das. Laut Anordnung von der Erde hatte die Funkstation ständig besetzt zu sein, und niemand kam auf den Gedanken, auch nur für drei Stunden gegen diesen Be- fehl zu verstoßen. Konnte doch gerade während dieser Zeit die Mitteilung von einer Kursänderung des „Phaetonen“ eintreffen. Dann kam es darauf an, so schnell wie möglich den eigenen neuen Kurs zu berechnen und einzuschlagen.
Knjasew kam Toporkow zu Hilfe. Sie lösten sich gegenseitig am Empfänger ab, bereit, jeden Augenblick einen Funkspruch aufzunehmen und an das zentrale Steuerpult weiterzugeben, wo Belopolski, Paitschadse und Saizew sich ständig befanden. Aber während diese drei ihre Arbeit liegend verrichten konnten, mußte der diensthabende Funker sitzen. Neben dem Funkgerät eine Hängematte anzubringen erwies sich als unmöglich, da man nicht wußte, woran man sie befestigen sollte, denn zum An- schweißen selbst einfacher Haken an die Wand war keine Zeit.
Den Konstrukteuren und Erbauern der „SSSR-KS 3“ war nicht im entferntesten der Gedanke gekommen, es könne der Fall eintreten, daß der Funker unter den Bedingungen erhöhter Schwere und dazu noch für längere Zeit Dienst tun müsse. So mußte er aufrecht sitzen. Die Sessellehne war hart und niedrig, sie reichte knapp bis zur Taille. Bald stellten sich beim Dienst habenden Kreuzschmerzen ein, die rasch heftiger wurden. Län- ger als zwanzig Minuten hielt niemand diese Tortur aus. Dann kletterte die Ablösung aus der Hängematte, kroch zur Luke, arbeitete sich hindurch und fuhr mit dem Lift zum Funkraum. Auf demselben Wege begab sich der Abgelöste an seinen Ruhe- platz. Zwanzig Minuten später wiederholte sich das Ganze.
Die drei Stunden erschöpften die beiden kräftigen jungen Männer bis zum äußersten.
Andrejew, Korzewski und Romanow bereuten bitter, daß sie nicht funken gelernt hatten, wie es Belopolski allen Mit- gliedern der Besatzung nachdrücklich empfohlen hatte. Sie hat- ten geglaubt, sie würden es niemals brauchen, und nun ... Fünf Männer hätten sich nur jeweils einmal abzulösen brauchen.
Vierzig Kilometer in der Sekunde betrug die für die „SSSR- KS 3“ vorgesehene normale Fluggeschwindigkeit. Im Notfall konnte sie auf fünfzig gesteigert werden, wenn man die Energie- reserve angriff. Die Reserve galt im allgemeinen als unantast- bar, aber jetzt war ein Fall eingetreten, da man auf sie zurück- greifen mußte. Belopolski beabsichtigte jedoch, die Geschwin- digkeit erst zu erhöhen, wenn das Raumschiff wieder geradeaus flog. In der Kurve war sie ohnehin schon allzu hoch. Hätten Melnikow und Wtorow nicht in Lebensgefahr geschwebt, hätte sich der Kommandant niemals zu diesem Manöver entschlossen, mit dem er
Weitere Kostenlose Bücher