Das Erbe der Phaetonen
sie an Bord bemerkt haben, daß das Raumschiff der Phae- tonen die Venus verlassen hat. Um selber zu starten, haben sie nicht viel Zeit gebraucht.“
Wtorow blickte unwillkürlich in Richtung Venus in der un- bewußten Hoffnung, das eigene Raumschiff zu sehen, wie es hin- ter ihnen herjagte.
„Wir können es nicht sehen“, sagte Melnikow. „Zwischen ihm und uns liegen Tausende von Kilometern. Aber die Genossen können uns im Teleskop sehen. Wenn wir nicht sehr schnell fliegen – und ich glaube, es ist so –, holt uns die ,KS 3' ein. Das ist die erste, allerdings weniger wahrscheinliche Chance.“
„Wieso weniger wahrscheinlich?“
„Es ist schwer, einen so kleinen Körper in den Weiten des Weltalls auszumachen, um so mehr, als sich die ,KS 3' hinter uns befindet und wir ihr die unbeleuchtete Seite zukehren. Außerdem wissen sie nicht, in welche Richtung wir fliegen. Aber immerhin ist es eine Chance, wenn auch keine sichere.“
„Und die zweite?“
„Die zweite ist realer. Irgendwie haben wir die Triebwerke des Raumschiffs in Gang gesetzt. Vor uns haben wir das Steuer- pult. Das steht außer Zweifel. Wir müssen nur dahinterkommen, wie sich das Schiff lenken läßt. Offensichtlich ganz anders als unseres. Ich glaube, wir werden es herausbekommen. Wahr- scheinlich eine ganz einfache Sache. Aber natürlich brauchen wir Zeit dazu.“
„Sie vergessen wieder, daß wir nur noch sechs Stunden zur Verfügung haben“, gab Wtorow, nun schon ganz ruhig, zu be- denken.
„Auf den ersten Blick sieht es tatsachlich so aus. Aber wenn wir uns an verschiedene Fakten erinnern .. . Bist du mir übri- gens böse?“ unterbrach er sich plötzlich.
Wtorow wurde rot.
„Sie hatten recht“, sagte er. „Ich bin wirklich ein Feigling und habe in einem Raumschiff nichts zu suchen.“
Melnikow umarmte den Kameraden.
„Unsinn, Gennadi! Früher hat mir auch immer Kamows Kalt- blütigkeit Erstaunen eingeflößt. Aber das ist alles eine Sache der Erfahrung und der Gewohnheit. Vergiß, was ich gesagt habe. Ich wollte dich damit nur kurieren.“
„Es hat gewirkt“, sagte Wtorow lächelnd, „jetzt sehe ich dem Tod mit Ruhe entgegen.“
„Aber, aber – schon wieder der Tod. Ich habe nicht die Ab- sicht zu sterben. Wir müssen kämpfen. Und was die Luft be- trifft ...“
Mit einem Ruck öffnete er den hermetischen Verschluß und nahm den Helm ab.
Wtorow erstarrte vor Schreck. Er stierte den Kameraden an und erwartete, Zeichen von Atemnot bei ihm zu sehen.
Doch Melnikow atmete tief. Im ersten Augenblick kam ihm die Luft im Raumschiff ungewöhnlich dicht vor, als befinde er sich unter erhöhtem Druck. Aber dieses Gefühl ließ bald nach.
Wie er erwartet hatte, war der Sauerstoffgehalt völlig aus- reichend.
„Da siehst du's!“ sagte er.
„Wie konnten Sie sich dazu entschließen?“
„Ich war überzeugt, daß wir diese Luft atmen können. Alles, was uns von den Phaetonen bekannt ist, spricht dafür. Kannst du dir den Grund meiner Überzeugtheit nicht denken?“
„Nein. Sie konnten doch ersticken!“
„Wir hätten, wenn nicht jetzt, so spätestens in sechs Stunden den Helm abnehmen und probieren müssen, ob die Luft des Raumschiffs für uns geeignet ist oder nicht. Da war es schon besser, das auf der Stelle zu tun. Jetzt wissen wir, daß wir weit mehr als sechs Stunden zur Verfügung haben. Die Sauerstoff- vorräte sind hier unbegrenzt.“
„Woraus schließen Sie das?“ fragte Wtorow verwundert.
Ebenso wie Melnikow nahm er den Helm ab und verspürte keinerlei Atembeschwerden. Die Luft war rein und unterschied sich, abgesehen von dem schwachen fremdartigen Geruch, den sie auch vorher schon durch den Filter wahrgenommen hatten, nicht von der irdischen.
„Ich bin durch einfache logische Schlußfolgerungen darauf gekommen“, antwortete Melnikow. „Erinnere dich an den Film der Phaetonen. Sowohl auf dem Mars als auch auf der Venus trugen sie ebensolche Raumanzüge wie wir. Für sie wie für uns ist also die Venusluft ungeeignet. Erinnere dich an ihr Äußeres - sie sehen aus wie wir. Also brauchten sie auch Sauerstoff. Sie haben viele Jahre auf der Venus zugebracht. In der Venusatmo- sphäre ist nur sehr wenig Sauerstoff vorhanden. Wo haben sie ihn also hergenommen? Zweifellos haben sie ihn auf syntheti- schem Wege aus Atomteilchen gewonnen. Wir können ganz
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