Das Erbe der Phaetonen
sich. Das Laub war hellorange gefärbt.
Ein heftiger Windstoß fegte durch die Bucht. Die Wasser- oberfläche kräuselte sich, das Gras am Ufer wippte, stärker wiegten sich die Kronen der Bäume.
„Ein ganz anderes Bild als die Insellandschaft“, sagte Wto- row. „Dort herrscht Totenstille, hier regt sich Leben. Es fehlen bloß noch Vögel.“
„Sieh dir einmal das Laub an.“ Melnikow wies mit der Hand auf das Ufer. „Dort – etwas ganz Merkwürdiges! Wie können sich Blätter bei solchen Regengüssen halten?“
„Sie sind wahrscheinlich anders gebaut als die Baumblätter auf der Erde.“
„Sicherlich. Die müssen wir uns auch noch ganz genau an- sehen.“
Ein kurzes, aber schweres Gewitter unterbrach die Unter- haltung. Beim Rauschen des Regens, beim Einschlagen der Blitze und beim Donner konnten sie einander nicht verstehen. Brodelnder Schaum bedeckte die Kabine.
Als es wieder aufklarte, sahen sie, daß das Plastedach kaum noch aus dem Wasser ragte. Noch ein, zwei Gewitter, und die Wasser der Bucht würden über ihnen zusammenschlagen.
„Jetzt wird es Zeit, daß das Boot kommt“, meinte Wtorow.
„Es wird zur rechten Zeit da sein.“
Am Funkgerät flammte ein Lämpchen auf. Toporkow meldete sich.
„Wie ist die Lage?“
Melnikow kam seinem Genossen zuvor, der schon antworten wollte.
„Keine besonderen Veränderungen“, sagte er hastig.
„Und das Absacken?“
„Verläuft normal. Keine ernsten Gefahren.“
„Ich habe schon lange keine Verbindung mehr mit dem U-Boot“, sagte Toporkow. „Wo steht es?“
„Fünfzig Kilometer von hier.“
Man hörte Igor Dmitrijewitsch tief atmen.
„Wir machen uns große Sorgen um euch.“
„Dazu haben Sie nicht den geringsten Grund.“
Abermals brach die Verbindung ab. Der Funkverkehr auf der Venus gestaltete sich äußerst launisch.
„Warum machen Sie den Genossen etwas vor?“ fragte Wto- row. „Wäre es nicht besser, die Wahrheit zu sagen?“
Melnikow blickte Wtorow schweigend an, als studiere er sein Gesicht.
„Ich weiß aus eigener Erfahrung“, sagte er langsam, „daß es bedeutend schwerer fällt, einen Kameraden in Not zu wissen, als selbst in Not zu sein. Die Genossen an Bord können außer dem, was sie bereits unternommen haben, nichts für uns tun. Was soll ich ihnen sagen? Daß das Boot frühestens in einer Stunde hier sein kann, wissen sie selber. Daß wir endgültig ins Wasser absinken werden, wenn noch zwei Platzregen kommen, und es dann bedeutend schwieriger sein wird, uns zu finden? Daß jedes neue Gewitter ebensolange anhalten kann wie jenes, dem wir unsere jetzige Lage verdanken?“
Er versank in ein längeres Schweigen. Dann erklärte er ruhig:
„Die Wahrheit ist immer gut, aber um die Freunde nicht zu beunruhigen, muß sie manchmal geopfert werden. Sie sollen ruhig denken, bei uns sei die Lage unverändert.“
„Sie halten unsere Rettung noch für fraglich?“
Melnikow lächelte.
„Du kennst selber den ‚lieblichen' Charakter der Venus. Bevor wir nicht im Boot sitzen, bin ich von nichts überzeugt. Immerhin haben wir jetzt unvergleichlich mehr Chancen als vor der In- standsetzung des Funkgerätes. Aber auch da war noch kein Grund zum Verzweifeln.“
„Aber wenn wir nicht hätten funken können?“
„Dann wäre unsere Lage ernst geworden.“
Die letzte Stunde des Wartens zog sich besonders in die Länge.
Balandin teilte mit, daß der Radarprojektor fünfzehn Kilo- meter voraus festes Land anzeige. Das konnte nur jenes Land sein, vor dem das Flugzeug lag. Das Boot hielt geraden Kurs darauf.
Noch zwanzig Minuten vergingen, in denen über der Bucht kein Regen niederging; und das Boot kam schon ganz nahe. Das Funkorientierungssignal wurde abgestellt, es wurde nicht mehr gebraucht.
„Jetzt wird uns also die Chance gegeben, von der Sie ge- sprochen haben“, sagte Wtorow vergnügt.
Ohne zu antworten, beugte Melnikow stell hastig zum Mikro- fon vor.
„Sinowi Serapionowitsch!“
„Ich höre.“.
„Tauchen Sie nicht auf! Legen Sie sich auf Grund! Ein mäch- tiges Gewitter zieht auf!“
Über die Wipfel des Waldes schob sich immer höher und schneller eine breite schwarze Wand. An den vielen Blitzen und an dem lauter werdenden Gepolter des Donners erkannte Wto- row, daß
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