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Das Erbe der Phaetonen

Das Erbe der Phaetonen

Titel: Das Erbe der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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zweit wären – einer allein konnte es dreißig Stunden aushalten. Ich muß Wto- row retten, er ist jünger als ich ...
       Nicht ganz so ausführlich und besonnen, aber ähnlich dachte im selben Augenblick auch Wtorow.
       Es ist eine arithmetische Rechnung, sagte er sich im stillen. – Boris Nikolajewitschs Leben ist wertvoller als meins. Wenn das Funkgerät nicht funktioniert, nehme ich mir das Leben. Die Pistole steckt in der Tasche.
       Sie sahen einander lächelnd an – mit der gleichen Absicht, die eigenen Gedanken vor dem andern zu verbergen.
       „Also – versuchen wir es!“ sagte Melnikow.
       „Das Zögern führt zu nichts.“
       Als sich der Generator mit einem trockenen Knacken ein- schaltete, schloß Wtorow unwillkürlich die Augen. Tanjas Ge- stalt stand ihm so klar vor Augen, daß er glaubte, ihren warmen Atem auf seiner Wange zu spüren. Seine Hand schob sich in die Tasche der Kombination und befühlte den kalten Stahl der Schußwaffe.
       „Ich höre, Boris, ich höre! Wo bist du?“
       Die Stimme Belopolskis ... Warum antwortet er sofort? Hat Melnikow denn etwas gesagt? – Wtorow schlug die Augen auf.
       Boris Nikolajewitschs ruhige Stimme klang in der Kabine des gestrandeten Flugzeugs wie ein Aufruf zum Leben.
       Langsam, als traute er seinen Ohren nicht, zog Wtorow die Hand aus der Tasche.
       Ihm wurde schwindlig. Er hätte am liebsten mit voller Brust die reine Meeresluft eingeatmet. Aber draußen war ja keine reine Luft, sondern die gasgeschwängerte des unbekannten Pla- neten.
       „Ich glaube, daß nur das Unterseeboot...“
       Das Lämpchen am Indikator erlosch, der Satz brach ab. Eine Gewitterfront, die sich zwischen sie und die Insel schob, zerriß die Funkverbindung.
       „Ich habe offengestanden bezweifelt, daß es uns gelingt“, sagte Melnikow. „Ich dachte, wir würden es nicht fertigbringen, den Sender instand zu setzen.“
       „Ich auch“, antwortete Wtorow leise.
       Melnikow sah ihm ins bleiche Gesicht und zuckte zusammen. Das war doch nicht möglich!
       Wahrhaftig! Wtorow hatte für ihn zweifellos das gleiche tun wollen wie er für Wtorow. Melnikow packte das unwidersteh- liche Verlangen, diesen Prachtjungen mit dem reinen Herzen zu umarmen. Er tat es nicht. Wtorow brauchte nie zu erfahren, was in ihm vor sich ging.
       „Sieh nur, Gennadi!“ Er duzte ihn, ohne sich dessen bewußt zu sein. „Unsere Maschine hat keine Tragflächen mehr.“
       Tatsächlich waren beide Tragflächen, anscheinend unter der Last der Regengüsse, abgebrochen und verschwunden. Wann dies geschehen war und warum sie das Gepolter und das Knak- ken des brechenden Metalls nicht gehört hatten, wußte sich weder der eine noch der andere zu erklären.
       „Ich habe den Eindruck, das Flugzeug ist tiefer ins Wasser gesunken“, sagte Wtorow.
       Er wunderte sich nicht im geringsten darüber, daß Melnikow plötzlich so freundschaftlich mit ihm redete. Er fand es natür- lich, daß der Kommandant als der Ältere ihn beim Vornamen nannte. Bloß warum hatte er das früher nicht getan?
       „Ich habe nicht nur den Eindruck“, erwiderte Melnikow, „ich bin davon überzeugt. Der Sand saugt den Rumpf in sich hinein.“
       Er sagte das so selbstverständlich, daß Wtorow nicht wagte, die sich aufdrängende Frage zu stellen: Was wird geschehen, wenn das Flugzeug ganz im Wasser versinkt? Sie hatten kein Boot bei sich, um an Land zu fahren. Ihr Schlauchboot hatte in der einen Tragfläche gelegen und war mit ihr hinweggespült worden.
       Nach zwei Stunden teilte Belopolski ihnen mit, daß das Unterseeboot ausgelaufen sei.
       Die Stunden des Wartens zogen sich in die Länge.
       Die Kabine sank langsam, aber unaufhaltsam tiefer. Das Wasser reichte schon bis zum Rand des Plastedaches. Oft zog Regen herauf, und die Wucht der Wassermassen drückte das Flugzeug noch tiefer in den Sand. Bald mußten die beiden Män- ner das Plastedach wieder schließen und statt der gefilterten Außenluft wieder mit Hilfe der Sauerstoffballons atmen, weil sonst das Wasser in die Kabine gedrungen wäre. Es stieg schon mehrere Zentimeter über die Bordwand.
       „Schade, daß wir keine Taucheranzüge bei uns haben“, sagte Melnikow.
       Sobald es aufklarte, betrachteten sie prüfend durch die Fern- gläser das Ufer, das sie von drei Seiten umgab. Sie hatten zwei- fellos richtige Bäume, gigantische Vertreter der Pflanzenwelt, vor

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