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Das Erbe der Phaetonen

Das Erbe der Phaetonen

Titel: Das Erbe der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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Wehr schlüpft kein einziger Stamm hindurch“, stellte Melnikow fest. „Wir können dieses Hindernis nicht mehr Stromschnellen nennen. Es ist ein Wehr, ein sehr primitives zwar, aber doch ein Wehr, ein Bau, der ingenieurmäßig vorge- plant wurde. Es ergibt sich also folgendes Bild: Viele hundert Kilometer stromaufwärts besteht der Wald aus kleineren Bäu- men einer anderen Art als derjenigen, die hier wächst. Deswegen werden die Bäume dort gefällt, mit der Flußströmung befördert und hier an Land gezogen und zu Brettern verarbeitet. All das, wohlgemerkt, mit bloßer Hand. Was für eine schwere und un- dankbare Arbeit wird dabei geleistet, bloß um Nutzholz zu ge- winnen, von dem es hier auch jede Menge gibt. Aber die hiesi- gen Bäume sind zu groß, als daß sie von diesen unglücklichen Geschöpfen gefällt werden könnten.“
       „Die Steine für das Wehr sind wahrscheinlich nicht vom Ge- birge, sondern von der Küste geholt worden“, warf Balandin ein. „Aber mit welchen Mitteln hat man sie transportiert? Sie sind doch unwahrscheinlich schwer!“
       „Und wie ist die Cheopspyramide erbaut worden? Auch bei- nahe mit bloßen Händen. Die Stromschnellen, richtiger – das Wehr ist vielleicht in Hunderten von Jahren entstanden. So, nun wollen wir wieder hinuntergehen, sonst überrascht uns noch ein Gewitter.“
       „Sie versprachen, mir zu erläutern, warum die Bewohner des Waldes nicht hervorkommen würden“, sagte Balandin, während sie hinabstiegen.
       „Es ist nur eine Vermutung, und zwar eine höchst fragwür- dige. Ich habe mir überlegt, daß ein Tag und eine Nacht auf der Venus annähernd drei Wochen bei uns auf der Erde ent- sprechen. Also dauert ein Tag hier ungefähr zweihundertfünfzig Stunden und eine Nacht ebenso lange. Der Fluß mißt über zwei- tausend Kilometer in der Länge. Das Holz braucht sehr viel Zeit, um von der Quelle bis hierher zu treiben. Wir haben da- mals die schwimmenden Bäume entdeckt, als früher Morgen war. Jetzt ist Tag, und es sind keine zu sehen, oder besser noch nicht zu sehen. Sie schwimmen sicher irgendwo stromauf, noch ein Stück vor dem Wehr und werden erst gegen Abend hier ein- treffen. Andererseits haben wir die Bewohner der Venus bisher kein einziges Mal gesehen. All das zusammen genommen, führt zu dem Schluß, daß die Venusleute bei Nacht arbeiten, wenn es nicht so heiß ist. Vielleicht sind sie überhaupt Geschöpfe, die nur bei Nacht lebendig werden und am Tage schlafen. Ich habe das Gefühl, diese Deutung könnte zutreffen“, schloß Melnikow.
       Balandin überlegte.
       „Es spricht einiges für Ihre Auffassung. Jetzt ist ungefähr Mittag und die Luft auf achtzig, neunzig Grad erhitzt. Es dürfte kaum anzunehmen sein, daß Lebewesen bei einer derartigen Hitze zu arbeiten vermögen. Sie haben wahrscheinlich in der Tiefe der Wälder Schutz gesucht, wo es kühler ist.“
       Die Worte des Professors klangen zögernd. Melnikow be- merkte es.
       „Sie scheinen nicht recht daran zu glauben?“
       „Ich muß es glauben“, erwiderte Balandin. „Habe ich doch den Beweis vor Augen. Aber wenn ich offen sein soll – ich ver- stehe nicht, wie jemals Menschen auf der Venus entstehen konn- ten. Der Mensch erscheint als eine Schöpfung der Natur nicht sofort in vollendeter Gestalt. Er ist das Produkt der langen Entwicklung weniger vollkommener Organismen, die sich in Millionen und aber Millionen Jahren vollzieht. Das Leben hat in der Regel im Wasser seinen Ursprung und wechselt erst später aufs Land. Aber wie haben sich schwache und unent- wickelte Geschöpfe hier auf dem Trockenen halten können? Die klimatischen Bedingungen sind auf diesem Planeten sogar jetzt noch ungünstig. Früher waren sie noch schlechter. Und selbst wenn sich die Keime des Lebens dennoch auf dem Fest- land halten konnten – warum gibt es dann keine Tiere? Der Mensch oder ein ihm annähernd ähnliches Geschöpf kann nicht das einzige Lebewesen sein. Das widerspricht den Gesetzen der Biologie.“
       „Ja...“ Melnikow nickte. „Was Sie sagen, überzeugt. Also wird uns hier ein zweites Rätsel aufgegeben. Die Schwierig- keiten wachsen von Stunde zu Stunde. Aber es wird Zeit, zum Raumschiff zurückzukehren. Unser Ausflug war äußerst ergeb- nisreich, und die Rätsel müssen wir alle gemeinsam lösen.“
       Nach wie vor zeigten sich am Himmel keine Gewitterfronten, und die Männer konnten in aller Ruhe „Exponate“, Gesteins- proben und

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