Das Erbe der Phaetonen
anderes sammeln. Balandin schnitt mit seinem Ultraschalldolch ein Stück von einem Baumstamm und mehrere Zweige mit Dornen ab.
„Es gilt zu ermitteln, wann die Stämme hier angelangt sind und wie lange sie im Wasser trieben“, sagte er. „Das wird uns helfen, festzustellen, ob unsere Vermutung stimmt oder nicht.“
Melnikow nahm mehrere Büschel Gras mit, gelbes, braunes und weißes. Außerdem wurden einige Zweige von einem Strauch und ein großes Stück Rinde von einem der gigantischen Bäume eingepackt.
Mit dieser Beute beladen, kehrten sie zu dem Unterseeboot zurück und trafen gerade in dem Augenblick ein, als Saizew meldete, die Luft weise zunehmende Ionisation auf.
Sobald alle an Bord gestiegen und die Luken hermetisch ver- schlossen waren, befahl Melnikow, abzulegen und zu tauchen. Von Nordwesten her zog eine riesige Gewitterwolke herauf. Die Prozedur der Einschleusung wurde bereits unter Wasser durchgeführt.
„Sie wollten doch ein Gewitter am Ufer abwarten...?“ Ba- landin konnte sich diese spöttische Bemerkung nicht versagen. Melnikow antwortete nur mit einem Achselzucken.
Die Funkverbindung mit dem Schiff wurde hergestellt, als das Boot den Fluß schon hinter sich gelassen hatte und auf die hohe See hinausfuhr. Melnikow schilderte Belopolski ausführ- lich ihre Beobachtungen. Wie nicht anders zu erwarten, erregten die Neuigkeiten im Raumschiff großes Aufsehen. Die Fragen hagelten nur so. Die U-Boot-Fahrer hörten, wie Korzewski, dicht am Mikrofon stehend, um die Erlaubnis bat, nach Rückkehr des Bootes sogleich selbst zu den Stromschnellen fahren zu dürfen, und wie Belopolski antwortete:
„Wir werden mit dem Raumschiff dorthin fliegen.“
Die Funkorientierungssignale erreichten die Männer im Boot sehr unregelmäßig. Trotzdem hielt Saizew einen geraden Kurs ein. Balandin und die anderen Genossen konnten nun, da be- sondere Eile nicht mehr geboten war, nach Herzenslust das Leben im Ozean beobachten. Sie fuhren sehr langsam und stoppten des öfteren.
Der Ozean der Venus wimmelte von Lebewesen. Über vierzig verschiedene Arten zählte der Professor. Viele von ihnen konn- ten fotografiert werden.
Voraus im hellen Scheinwerferlicht rührte sich nichts. Alle Lebewesen verließen schleunigst den Lichtkorridor. Aber achter- aus und mittschiffs schwammen die Fische dicht an das Boot heran, weil sie offenbar von dem unbekannten bewegten Gegen- stand angezogen wurden, den sie wohl für ein neues Tier hiel- ten. Wenn plötzlich das Scheinwerferlicht aufflammte, erstarrten sie für einen Augenblick und verschwanden dann hastig ins Dunkel. In diesen Augenblicken konnten die Männer sie be- trachten.
Die meisten Meeresbewohner glichen in ihrer Gestalt den Fischen der Erde.
„Darüber braucht man sich nicht zu wundern“, sagte Balan- din. „In dem gleichartigen Milieu haben sich gleichartige oder fast gleichartige Organismen entwickeln müssen. Die Natur be- schreitet stets den einfachsten Weg.“
„Warum fürchten sich diese Tiere so vor dem Licht?“ fragte Wtorow.
„Auch das ist zu verstehen. Es kann gar nicht anders sein“, antwortete der Professor. „Auf der Erde dringt das Sonnenlicht in das Wasser der Meere bis zu vierhundert Meter Tiefe ein. Hier herrscht sogar unmittelbar an der Oberfläche fast völliges Dunkel. Die Sehorgane der Venusfische müssen bedeutend emp- findlicher sein als die der Fische auf der Erde. Das Licht tut ihnen weh und erschreckt sie.“
Die Forscher entdeckten zahlreiche kleine schnelle Fische mit bläulichen Schuppen, nahe Verwandte der irdischen Weber- fischchen. Matt phosphoreszierend jagten zwischen ihnen lange schmale Körper dahin, die Balandin auf der Erde als Myxine *
*
Myxine gehöre» zur Gattung der Inger. Rundmäulige, aalähnliche, aber flossenlose Tiere, die sich in andere Fische einbohren und sie bis auf Haut und Skelett auffressen.
klassifiziert hätte. Die Astronauten entdeckten mehrere Lebe- wesen, die den Rochen der Erde verblüffend glichen: Seeadler, deren Schwimmflossen Flügelgestalt besaßen und deren Schwanz dünn und lang war, sowie gleichsam zusammengeknüllte stör- ähnliche Rochen. Einmal erblickten sie beim Aufflammen des Scheinwerferlichts unmittelbar vor sich ein stumpfes Maul, das Ebenbild eines gewöhnlichen Rundmaules – allerdings mit drei anstatt mit zwei Augen. Ein andermal starrte sie der häßliche, mit scharfen Zähnen bewehrte
Weitere Kostenlose Bücher