Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
holen. Aber den Kerlen auf der Burg muss das Wasser im Mund zusammenlaufen!«
    Die Zinnen von Lauenstein waren voll bemannt.
    Hansi lachte. »Was meinst du, Herr Rüdiger? Teilen wir uns die kleine Rote?«
    So ging die Belagerung von Lauenstein in ihr zweites Jahr.

Kapitel 6
    F ür die Flüchtlinge in Montalban gestalteten sich die Jahre 1214 und 1215 unerwartet ruhig. Weder mussten Stadt und Festung verteidigt werden, noch gab es Anlass für die Ritter, anderen belagerten Orten zu Hilfe zu eilen. Simon de Montfort setzte seinen Kreuzzug vorerst nicht fort – wofür zur allseitigen Verwunderung der Graf von Toulouse verantwortlich war. Der reiste nämlich gemeinsam mit König Johann zum vierten Laterankonzil in Rom, um dem Papst seinen Fall vorzutragen. Er bekannte sich erneut zur römischen Kirche, spielte seine Unterstützung für die Albigenser herunter und forderte seine Güter zurück – woraufhin sich de Montfort umgehend ebenfalls auf den Weg machte, um seine Sicht der Dinge zu vertreten. Der Papst entschied schließlich gegen Raymond – er behielt den Kirchenbann gegen ihn aufrecht und sprach Montfort seine Ländereien zu.
    »Das war es dann wohl mit Raymond de Toulouse und seiner Unterstützung«, seufzte Abram, als man in Montalban vom Spruch des Papstes hörte. »Und die sonstigen Beschlüsse des Konzils stimmen auch nicht fröhlicher: Die Lehre der Albigenser wird noch mal ausdrücklich verdammt. Juden und Muslime müssen sich künftig allgemein durch spezielle Tracht kennzeichnen.« Bisher hatten unterschiedliche Grafschaften und Städte das mehr oder weniger streng gehandhabt. »Und Juden werden von Handwerk und Gewerbe ausgeschlossen und dürfen in Zukunft nur noch Geld verleihen.«
    »Doch der Klerus soll weniger Unzucht treiben«, fügte Salomon lächelnd hinzu, »das ist ein Fortschritt. Aber im Ernst – was meinst du, Miriam, gibt Raymond de Toulouse, der alte Kämpfer, wirklich auf?«
    Miriam, die den temperamentvollen Grafen in den letzten zehn Jahren sehr viel gründlicher kennengelernt hatte, als all seine Ehefrauen zuvor, schüttelte entschieden den Kopf. »Raymond de Toulouse ist jetzt erst mal wütend. Da hat er nun schon vor dem Papst das Knie gebeugt, was ihm bestimmt nicht leichtgefallen ist. Und was macht der? Bestätigt den Kirchenbann! Noch dazu vor dem gesamten Klerus und allen wichtigen Fürsten der Christenheit. Das wird er übel nehmen. Simon de Montfort sollte sich warm anziehen! Einen erbosten Raymond de Toulouse möchte ich nicht zum Feind haben!«
    Die Menschen in Toulouse waren denn auch bald bereit, ihrem Grafen seine Flucht nach England zu vergeben. Auch deshalb, weil Montforts Männer in den Städten und Dörfern wüteten, als gäbe es kein Morgen. Entweder verstand sich Montfort einfach nicht auf Verwaltungsaufgaben, oder er ging von vornherein nicht davon aus, Toulouse wirklich halten zu können. Auf jeden Fall ließ er gnadenlos Güter einziehen, wenn jemand auch nur in den Verdacht geriet, mit den Häretikern gemeinsame Sache gemacht zu haben. Er schickte Steuereinnehmer in die entlegensten Winkel und griff nicht ein, wenn seine »Kreuzfahrer« sich ihrerseits schadlos an den Bürgern der Grafschaft hielten. Die Kämpfer – oft der übelste Abschaum, der nur aus Habgier das Kreuz genommen hatte – raubten und vergewaltigten, ohne Rücksicht auf die Glaubenszugehörigkeit ihrer Opfer. Die Bürger von Toulouse stöhnten unter ihrer Knute und sehnten sich zurück nach der gemäßigten Herrschaft ihres Grafen. Sollte er ihr Geld doch weiter für seine aufwändige Hofhaltung, seine Geliebten und militärischen Abenteuer herauswerfen, wenn er sie sonst nur in Ruhe ließ!
    Die Menschen in den noch nicht eroberten Städten und Burgen hatten insofern ausreichend Rückhalt im Land und mussten nicht hungern. Reisen waren allerdings nach wie vor gefährlich, man wusste nie, wann man einer entfesselten Horde von Kreuzfahrern in die Arme lief. Miriam und Abram hatten die Pläne zur Rückkehr nach Al Andalus folglich erst mal aufgegeben. Miriam kümmerte sich um den verwaisten Hof der Gräfin, zumal man viele der Mädchen nicht hatte heimschicken können. Sie übernahm mit Hilfe Genevièves ihre Erziehung – wobei sie sehr viel mehr Wert auf Lesen und Schreiben, Mathematik und Astronomie legte als auf Musik, Tanz und schöne Handarbeiten. Statt höfische Rede einzuüben, unterrichtete sie Sprachen. Geneviève lehrte Latein und Griechisch, Miriam war es wichtiger, dass sich die

Weitere Kostenlose Bücher