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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Luitgarts Ritter vorher ab!
    Gerlin spähte müßig hinaus über die Zinnen des Söllers. Weit unterhalb der Burg erkannte sie das Dorf Lauenstein, rechts und links des Berges, an dessen Seite die Burg sich schmiegte, erstreckten sich Wälder – zunächst lichte Schonungen, auf denen Pferde weideten und Holz für die Burg und das Dorf geschlagen wurde, weiter entfernt Gebiete mit dichtem Baumbewuchs, nur durchzogen von wenigen, nicht befestigten Straßen und Wegen, die nach Kronach oder Bamberg führten. Ein paar Siedlungen wie Dietmarsdorf lagen noch zwischen Lauenstein und Bamberg – vielleicht kamen daher die Reiter, deren Pferde eben aus dem Wald traten. Gerlin schaute neugierig nach ihnen aus. Die Tiere waren unterschiedlich groß, und sie sah keine Rüstungen in der Sonne blitzen. Also sicher keine weiteren Brautwerber für Frau Luitgart – die pflegten ihre Brustpanzer zu polieren, bevor sie sich in angeberischer Manier der Burg näherten. Bei einem Teil der Pferde schien es sich auch um Zelter zu handeln …
    Gerlin zwinkerte in den sonnigen Tag. Ihre Augen waren nicht mehr so gut wie damals, als sie von hier aus den Spielen der Ritter zugesehen und jedes Blitzen in Dietrichs Augen erkannt hatte. Aber die Gruppe kam näher. Ein paar Wegkehren noch, und man würde sie gut erkennen können. Gerlin rieb sich die Augen und wartete, bis die Reiter deutlich in Sicht kamen.
    Und dann meinte sie, ihr Herz bliebe stehen. Es konnte nicht sein, dass an der Spitze der Reiter eine weiße Maultierstute lief, geritten von einem dunkel gekleideten hochgewachsenen Mann. Und der blonde Ritter neben ihm … es war nicht möglich, dass er in der gleichen lässigen Manier auf dem Pferd saß wie damals Florís …
    Gerlin konnte auf diese Entfernung noch nicht erkennen, ob der Reiter einen Schild mit seinen Farben bei sich hatte, einen Wappenrock trug er sowieso nicht, höchstens ein Kettenhemd. Aber es musste eine Sinnestäuschung sein. Es war nicht möglich, dass sich Salomon von Kronach und Florís de Trillon der Burg näherten wie so oft, als sie hier noch mit Dietrich gelebt hatte!
    Gerlin versuchte, sich zu beruhigen. Sie schien im Begriff, die Fassung zu verlieren, das wollte sie jedoch nicht zulassen!
    Zitternd löste sie sich von den Zinnen der Burg. Sie würde jetzt hinuntergehen und den Mundschenk anweisen, einen Begrüßungstrunk bereitzuhalten. Wenn die Besucher dann eintrafen, würde sie gleich sehen, wen sie da mit den beiden Männern aus ihrer Vergangenheit verwechselt hatte, und sie würde darüber lachen. Oder nein, besser begab sie sich selbst in den Keller. Vielleicht bildete sie sich ja die ganze Reitergruppe nur ein: Die Lage auf der Burg zerrte an ihren Nerven, und sie beschwor tröstende Bilder hinauf. So musste es sein. Aber es war auf jeden Fall richtig, Wein bereitzuhalten. Wenn dann niemand kam … wenn dann niemand kam, konnte sie ihn einfach selbst trinken …
    Gerlin verwehrte sich einen weiteren Blick über die Brüstung. Mit klopfendem Herzen eilte sie die Stufen hinunter und lief über den Hof – wo ihr gleich zwei der fremden Ritter mit lüsternen Blicken nachsahen. Sie durfte nicht den Boten nach Neuenwalde vergessen! Bemüht ruhig begab sie sich in den Keller und zapfte einen Krug des besten Roten, den die Burg zu bieten hatte. Das hatte sie damals auch getan, als Salomon nach Falkenberg kam … Nein, sie war verrückt, sie durfte an so etwas gar nicht denken!
    Und dann hörte sie das Burgtor, das sich quietschend öffnete, um die Reiter einzulassen, und sah einen kleinen schwarzen Hengst hindurchpreschen, noch bevor es sich gänzlich gehoben hatte. Der Reiter duckte sich dazu tief über seinen Hals – und diesmal war es ganz sicher keine Täuschung! Auf so halsbrecherische Weise pflegte nur Dietmar auf die Burg zu stürmen, und nun hörte sie auch seine helle Stimme.
    »Mutter!«
    Gerlin hätte den Krug fast fallen lassen, zwang sich aber, ihn abzustellen, bevor sie ihren Sohn in die Arme nahm. Sie war unendlich erleichtert. Nicht nur, weil Dietmar endlich wieder da war, sondern auch, weil sich die Sinnestäuschung so einfach erklärte: Natürlich saß Dietmar in gleicher Manier zu Pferde wie sein Lehrer Florís. Und natürlich flatterte auch sein blondes Haar dabei im Wind. Gerlin überließ sich überglücklich seiner Umarmung, aber Dietmar hielt sich nicht lange mit der Begrüßung auf. Die anderen Reiter waren inzwischen im Burghof, und Dietmar brannte darauf, Sophia

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