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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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gegenüber Laurent von Neuenwalde. »Und dabei verteidigt er ihre eigene Tochter! Was würde denn aus Sophia, wenn die Kreuzfahrer dieses Château Narbonnais schleiften?«
    Ihr alter Freund zuckte die Schultern. »Es gefällt wohl niemandem, dass Herr Dietmar in diesem Ketzernest hockt, statt sich hier um seine Angelegenheiten zu kümmern«, formulierte er seine eigenen Ressentiments eher vorsichtig. »Ist ja gut und schön mit der jungen Frau, aber meint Ihr nicht, er verrennt sich da in etwas? Während Euer Stand hier schwierig wird, falls ihm etwas passiert – oder wenn sich auch nur der König gegen ihn richtet!«
    Gerlin dankte jetzt schon dem Himmel, dass für Lauenstein eher Friedrich zuständig war, dem der Kreuzzug ziemlich gleichgültig war, und nicht König Philipp. Der konnte Dietmar sein Lehen nicht wegnehmen – sondern höchstens ihren Sohn Richard für die Taten seines Halbbruders abstrafen. Sie hoffte, dass er darauf verzichtete, aber es wäre ihr doch lieber gewesen, Dietmar hätte sich nicht in Toulouse engagiert.
    »Ihr solltet Euch absichern …«
    Gerlin seufzte. Noch etwas, das sie belastete. Herrn Laurents Frau war im letzten Frühjahr verschieden, und der Witwer warb nun gezielt um Gerlin. Womit er nicht der Einzige war. Auch zwei andere Witwer aus der weiteren Umgebung suchten sie neuerdings bei jeder Gelegenheit auf, um irgendwelche, meist unwichtigen, Dinge zu bereden. Denen ging es dabei sicher auch um Lauenstein, als Stiefväter des Grafen erhofften sie sich Vorteile. Herr Laurent mochte dagegen echte Sympathien für sie hegen – aber das Letzte, was Gerlin wünschte, war ein neuer Ehemann, und dann auch noch fern von Loches. Sie sehnte sich nach ihrer Burg in Südfrankreich, in der keine Luitgart hockte wie eine Spinne im Netz. Sie vermisste die Sonne, die Leichtigkeit des Lebens, den Wein aus ihren Gütern. Zu Hause in Loches konnte sie ungestört um Florís trauern – und irgendwann über den Verlust hinwegkommen, der ihr Leben immer noch verdunkelte.
    Gerlin tastete auch jetzt noch jeden Morgen neben sich und versuchte bei Nacht, sich an den Mann zu schmiegen, der nicht mehr das Bett mit ihr teilen konnte. Ihr erster und letzter Gedanke an jedem Tag galt Florís – und das würde so bleiben, solange sie jeden Tag auf die Ebene hinaussah, auf der er sein Blut vergossen hatte, und solange sie an dem Raum vorbeimusste, in dem er gestorben war. Sie konnte sein Grab besuchen, ohne dass es zu sehr schmerzte, aber wenn sie die Kemenate betrat, in die man ihn damals gebettet hatte, sah sie immer noch sein bleiches, blutiges Gesicht.
    In Loches würde all das besser werden – aber statt heimzureiten, fand sie sich in einem ständigen Abwehrkampf mit Luitgarts Intrigen, den Avancen der unwillkommenen Brautwerber und dem andauernden Regenwetter, das zusätzlich an ihren Nerven zerrte. Als junge Frau hatte sie das nicht so empfunden, im Gegenteil, in ihrer Erinnerung schien ständig die Sonne auf Lauenstein. Salomon kredenzte ihr Wein aus seinem Gut, Florís scherzte mit ihr, und Dietrich lag im Gras neben ihr und horchte ehrfurchtsvoll auf das werdende Leben in ihrem Leib. Jetzt aber reihte sich ein grauer Tag an den anderen – und Gerlin begann, die ganz unschuldige Verursacherin all dieser Qualen zu hassen.
    Dann aber erreichte sie ein Brief aus Toulouse.
    Dietmar berichtete von seiner Verlobung mit Sophia, dem Sieg über Montfort – aber auch von Rüdigers schwerer Verwundung.
    So bald werden wir also nicht reiten können, aber wisse, dass sich unser Aufenthalt in Toulouse dem Ende zuneigt. Bitte bestelle auch der Herrin Luitgart unsere Grüße und berichte ihr von unserer Verbindung. Wir hoffen, dass sie sich mit uns freut, wenn wir letztlich auf Lauenstein in den Kreis der Ritter treten. Wir können es kaum erwarten, Euch beide wiederzusehen.
    Es grüßen Dich Dein liebender Sohn Dietmar und bald auch Deine Tochter Sophia.
    Gerlin las den Brief mit gemischten Gefühlen und machte sich dann auf, der Mutter ihrer künftigen Schwiegertochter die Nachricht zu bringen. Hoffentlich war sie noch nicht zu betrunken. Gerlin hasste es, wenn Luitgart ausfällig wurde, und sie konnte sich kaum vorstellen, dass ihre Feindin sich wirklich über Dietmars und Sophias Liebe freuen würde.
    Aber wenigstens konnte Gerlin den Bischof und alle anderen Würdenträger beschwichtigen: Ihre endlos wiederholte Behauptung, Dietmar befände sich nicht im Krieg, sondern auf Brautwerbung, hatte sich endlich

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