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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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vorzustellen.
    »Ich bin so glücklich, wieder hier zu sein!«, jubelte er. »Und nun sieh, Mutter, hier ist Sophia!«
    Er gab die Sicht auf die anderen frei – aber Gerlin hatte keinen Blick für das blonde Mädchen auf der kleinen grauen Stute. Sie schwankte, als sie Salomon von Kronach erblickte … und Sirene … Dabei musste das Tier längst tot sein – oder doch mit Miriam in Granada.
    »Du bist nicht wirklich …«, sagte sie tonlos zu dem Mann, der eben mühsam aus dem Sattel glitt, »… du bist doch in Paris gestorben.«
    Salomon schüttelte den Kopf. »Gerlin …«
    Er wollte sie bitten, sich zu fassen, wollte erklären … aber der sonst so wortgewandte Medikus brachte keinen Ton heraus. Er konnte die Frau nur anschauen … ihr schönes, edles Gesicht, die klaren sommerhimmelblauen Augen, in denen sich jetzt ihre ganze Verwirrung widerspiegelte. Ihre hohe Stirn – noch fast ohne Falten, nur rund um ihren vollen, weichen Mund hatten sich ein paar feine Linien eingegraben. Salomon fragte sich, ob ihr Haar ergraut war – erkennen konnte er es nicht, Gerlin versteckte es unter einem züchtigen Gebende.
    Dietmar lachte. »Da staunst du, Mutter, was? Ich hab’s gleich gesagt, der Herr Salomon soll sofort mitkommen. Er wollte ja erst mal im Dorf Quartier machen, damit wir dich vorbereiten können, aber ich habe gesagt: Sie freut sich.«
    Weder Salomon noch Gerlin beachteten ihn. Sie sahen einander nur an – und Gerlin kam schnell zu der Erkenntnis, dass sie keinen Geist vor sich hatte. Geister alterten nicht, und sie ermüdeten nicht. Salomon dagegen sah erschöpft aus. Sein früher schmales Gesicht war heute hager, von tiefen Falten durchzogen. Sein dunkles Haar war immer noch voll, aber durchwirkt von grauen Strähnen, und er hielt sich zwar aufrecht wie früher, aber er stützte sich am Sattel seiner Stute, als fiele ihm das Stehen schwer. Nur seine warmen grünbraunen Augen schienen sich nicht verändert zu haben. Gerlin sah darin Liebe – und Angst.
    »Freust du dich?«, fragte er heiser.
    Gerlin zitterte.
    »Sie muss doch erst mal zu sich kommen … Seht ihr denn nicht, dass sie sich kaum fassen kann?« Eine süße, singende Stimme in leicht tadelndem Tonfall. »Wie konntet ihr sie nur so überfallen? Wenn sie doch dachte, er sei tot. Als ob es nicht reicht, dass ich …«
    Eine zierliche junge Frau schob sich zwischen Gerlin und Salomon. Sie trug ein dunkelgrünes Reitkleid, darüber einen unförmigen Mantel, den sie schutzsuchend um sich zog, als sie der Blicke der Ritter auf dem Hof gewahr wurde. Vor Gerlin sank sie in einen tiefen Hofknicks.
    »Ich bin Sophia von Ornemünde«, stellte sie sich vor. Ihre Stimme brach. Eben hatte Gerlin ihr leidgetan, aber jetzt dachte sie wieder daran, dass diese Frau ihren Vater getötet hatte. »Ich …«
    Gerlin besann sich auf ihre Pflichten. Es war wichtig, die junge Frau willkommen zu heißen – sie durfte keinen so kühlen Empfang auf Lauenstein haben wie sie selbst viele Jahre zuvor. Sie reichte Sophia die Hand, zog sie aus dem Knicks und in ihre Arme. Sanft erbot sie ihr den Kuss der Verwandten.
    »Sophia, ich bin glücklich, dass Dietmar dich gefunden hat und dass du ihm auf seine Burg gefolgt bist. Trotz allem, was zwischen unseren Familien geschehen ist. Ich wünsche mir mehr als alles andere, dich hier glücklich zu sehen. Ich selbst war es jedenfalls. Mein Gatte Dietrich war ein wunderbarer Mensch, und ich hoffe, mein Sohn schlägt ihm nach. Möge Euer Bund von Gott gesegnet und mit vielen Kindern beschenkt werden.«
    Sophia bedankte sich errötend. Sie hatte befürchtet, diese Frau hassen zu müssen, aber der freundliche Empfang nahm sie sogleich für Gerlin ein.
    »Erst müssen sie den Bund ja mal schließen!«, lachte Rüdiger. »Du glaubst nicht, wie züchtig sie bislang nebeneinanderher leben, nur um sich die Eide auf Lauenstein schwören zu können! Und nun komm in meine Arme, Schwesterchen! Und hör endlich auf zu gucken, als hättest du ein Gespenst gesehen!«
    Gerlin fand sich unversehens in der nächsten Umarmung wieder, wobei sie ein bisschen erschrak, als Rüdiger nur den linken Arm um sie legte, während der rechte kraftlos in einer Schlinge lag. Dazu war er mager … sie würde ihn aufpäppeln müssen, bevor sie ihn nach Falkenberg weiterschicken konnte.
    »Und meine Gemahlin Geneviève von Falkenberg!«
    Rüdiger schob Geneviève vor, und Gerlin rang sich ein Enchanté ab. Sie wechselte auch gleich ins Französische, um die junge

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