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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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… oder vielleicht ein paar Burgen im tiefsten Bayern. Aber an den großen, wichtigen Höfen fördern sie den Minnedienst. Und wenn’s nicht passt, umso besser, dann können sich die zwei auf möglichst weite Entfernung anschmachten. Wenn Roland die Kleine nicht umbringt.«
    »Sie umzubringen wäre sehr ungeschickt«, schob Gerlin zwischen zusammengepressten Lippen hervor. »Herrgott, Rüdiger, verstehst du nicht, was das heißt? Roland besitzt jetzt das Faustpfand, das er immer wollte. Hätte er mich gehabt, hätte Florís nicht gegen ihn gekämpft. Hätte er Dietmar gehabt, hätte ich niemals gegen ihn rebelliert. Und nun wird Dietmar zaudern, wenn sein Mädchen in den Mauern der Burg ist.«
    Rüdiger biss sich auf die Lippen. »Sie ist Rolands Tochter!«
    Gerlin schnaubte. »Also, Familienbande haben ihn bislang nie an seinen Schandtaten gehindert. Der ist imstande und droht, das Mädchen von den Zinnen zu werfen, wenn Dietmar ihn angreift.«
    Rüdiger zuckte die Schultern. »Das wird so bald nicht geschehen«, meinte er dann. »Bis dahin ist sie vielleicht längst verheiratet. Und solange … Gerlin, ich weiß, du magst es nicht hören, aber diese Sophia ist ein ganz bezauberndes Mädchen. Bislang hat sie Dietmar nicht geschadet, im Gegenteil. Seit er ihr Zeichen an der Lanze trug, schlug er sich wie ein Berserker. Und jetzt … er geht in seinen ersten richtigen Kampf, Gerlin. Gut, Hansi und ich werden bei ihm sein, aber du weißt natürlich: Er kann fallen.«
    Gerlin nickte tapfer. Sie hatte ihren Sohn zum Ritter erzogen, sie kannte das Risiko.
    Rüdiger nahm ihre Hand. »Lass das Thema ruhen«, sagte er beschwörend. »Halte ihm jetzt nicht vor, was Roland von Ornemünde womöglich in fünf Jahren mit seiner Tochter tut, obwohl ich mich nicht wundern würde, wenn er bereits schon Himmel und Hölle in Bewegung setzt, Sophia zu verheiraten. Lass Dietmar in dem Glauben, dass sie unangetastet auf Lauenstein sitzt und ihn erwartet. Er braucht jetzt einen klaren Kopf. In ein paar Wochen setzen wir nach England über.«
    Boulogne-sur-Mer war eine alte Hafen- und Fischereistadt, und das Heer des französischen Königs sammelte sich um die eindrucksvolle Burg mit Blick auf den Leuchtturm, dem Wahrzeichen der Stadt. Natürlich war die Burg auf Dauer zu klein, um alle Ritter und Fußsoldaten zu fassen. Als Rüdiger und Dietmar eintrafen, mussten sie bereits Zelte aufstellen, um einen trockenen Schlafplatz zu finden. Die Stimmung im Lager war nicht die beste. Es war ein kaltes, regnerisches Frühjahr, die Sammlung des Heeres zog sich hin, und unter den Rittern herrschte Langeweile. Für die Fußsoldaten gab es auch kaum ausreichende Unterkünfte, sie froren und versuchten, sich an qualmenden Feuerstellen warm zu trinken. Das Ergebnis waren Schlägereien und Fehden – auch unter den Rittern.
    Rüdiger war aus seinen Kriegszügen mit Richard Löwenherz strengere Zucht gewöhnt. Er versuchte, ein bisschen mehr Ordnung zu schaffen, indem er zumindest die ihm unterstellten Ritter zu täglichem Waffenspiel anregte und Streitereien unter Strafe stellte. Viel nützte das allerdings nicht, Ritter ließen sich nicht gern befehlen. Lediglich die Jüngsten folgten ihrem Waffenmeister, den sie glühend verehrten, seit er sich dem Feldzug angeschlossen hatte, statt als Ausbilder des Prinzen in Paris zu bleiben. Dahinter stand natürlich seine Sorge um Dietmar, aber das ließ er nicht durchblicken. Nun exerzierte Rüdiger seine Nachwuchsstreiter, während Hansi unauffällig in den Wäldern des Königs wilderte. Das war streng verboten, aber der Knappe war geschickt mit der Schleuder und wusste im Gegensatz zu den meisten Rittern auch mit Pfeil und Bogen umzugehen. Ein paar Hasen brachte er immer mit, und oft schleppte sein Ross auch ein Reh mit heran. Sein Wallach machte das gutmütig mit. Da Hansi keine Turniere bestritt, brauchte er kein allzu temperamentvolles Pferd und fand seinen kräftigen kleinen Wallach praktischer als einen Streithengst.
    Die Ritter begrüßten seine verbotenen Ausflüge sehr – nach zwei Monden in Boulogne konnten sie keinen Fisch mehr sehen. Alle fieberten der Überfahrt entgegen, nur Rüdiger erschien es ganz unwirklich, dass er nun gegen die Männer König Johanns kämpfen sollte – noch vierzehn Jahre zuvor waren sie seine Waffenbrüder gewesen. Rüdiger war bis zu König Richards Tod in seiner Armee verblieben. Insofern konnte er sich auch nicht unbeschränkt freuen, als sie endlich Kunde erhielten,

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