Das Erbe der Pilgerin
Heer vorausschreiten lassen wie damals die Trompeter vor Jericho.«
Der Prinz gratulierte Dietmar zu seinem tapferen Kampf – während Rüdiger sich die Haare raufte.
»Allein gegen drei Ritter, das hätte schiefgehen können! Und erzähl mir jetzt nicht, sie hätten ja nur Kettenhemden getragen. Du selbst bist doch wohl auch nicht in voller Rüstung in die Hügel gegangen, um die Laute zu schlagen.«
Im Herbst flüchtete Ferrand, nachdem er seine sämtlichen Ländereien verloren hatte, auf die Insel Walcheren. Er floh von da aus nach England, um sich König Johann zu unterstellen.
»Gauner und Verräter unter sich!«, meinte Prinz Ludwig, den es ärgerte, dass Ferrand ihm entwischt war.
Er sollte allerdings bald erneute Gelegenheit haben, gegen seinen Feind anzutreten. Schon im Frühling des nächsten Jahres landete Ferrand wieder an der Küste Frankreichs an, diesmal unterstützt durch englische Ritter.
»Und die sind nicht ohne!«, warnte Rüdiger seinen Neffen, der sich schon auf neue Kämpfe im Heer des Prinzen freute. »Ihr Führer ist William Longespée, ein Bastard von Heinrich II. Also ein Halbbruder von Johann Ohneland und Richard Löwenherz – und glaub mir, Dietmar, er hat mehr von Richard! Der Kerl weiß das Schwert zu führen, das hat ihm ja auch seinen Namen eingebracht. Richtig heißt er William of Salisbury.«
»Ist das nicht der Mann, der letztes Jahr schon unsere Flotte vernichtet hat?«, fragte Dietmar.
Während die Ritter zu Land in Flandern durchweg siegreich gewesen waren, hatte König Philipp vor der Küste Flanderns eine herbe Niederlage in einer Seeschlacht hinnehmen müssen.
Rüdiger nickte. »Und das Meer ist nicht mal sein bevorzugter Kampfplatz«, meinte er. »Also Vorsicht mit den Engländern …«
Vorerst war es allerdings nicht William Longespée, gegen den Dietmar und Rüdiger antreten mussten. Tatsächlich überraschte die Franzosen das Eintreffen König Johanns, der mit einem weiteren Heer an der Westküste Frankreichs anlandete. König Philipp erschien diese Bedrohung erst mal wichtiger als die Truppen um Ferrand und William, zumal der Engländer mit Feuer und Schwert durch das Poitou zog und gleich darauf Nantes eroberte. Philipp und Ludwig ritten ihm mit den für England ausgehobenen Rittern und Fußtruppen entgegen. Aber dann erreichte den König eine weitere beunruhigende Nachricht.
Auch der entmachtete deutsch-römische Kaiser Otto hatte seine Getreuen gesammelt, um sich bei den Franzosen für ihre Unterstützung des Staufers Friedrich zu rächen. Er vereinigte sein Heer mit den Männern von Ferrand und William, die dadurch zu einer echten Gefahr wurden.
Rüdiger war überrascht, als Prinz Ludwig ihn noch vor der Feindberührung mit König Johann in sein Zelt rufen ließ. Er wirkte bekümmert.
»Herr Rüdiger, ich wollte es Euch selbst mitteilen«, meinte er. »Aber es wurde entschieden, dass Ihr meinem Heer nicht weiter angehören sollt, ebenso wenig Eure jungen Ritter.«
Rüdiger sah Ludwig verwirrt an. »Aber was ist geschehen, Sire? Was habe ich getan? Gibt es irgendetwas, womit ich Euch verletzt habe?«
Der Prinz nahm einen Schluck Wein. Dann lächelte er. »Nein, nein, verzeiht meine ungeschickte Wortwahl. Für Euch ist es ja eher eine Ehre. Mich schmerzt der Verlust – Herr Dietmar und die anderen jungen Ritter waren für mich schließlich fast so etwas wie Waffenbrüder. Nun, wie auch immer: Mein Vater hat entschieden, dass ein Johann Ohneland auch mit einem weniger starken Heer mühelos zu schlagen sein sollte. Dagegen Kaiser Otto und William of Salisbury …«
»Otto vereinigt sich mit Salisbury?«, fragte Rüdiger verwundert. »Und Ferrand?«
Der Prinz nickte. »Das Ganze scheint gezielt geplant. Johann sollte uns in den Südwesten locken, und derweil zieht Otto über Flandern nach Paris! Aber die Suppe wird ihnen mein Vater versalzen. Er wird heute noch nach Paris reiten und dort ein weiteres Heer ausheben. Mit Hilfe der besten seiner Ritter. Er bittet Euch, Herr Rüdiger, sich ihm anzuschließen.«
Rüdiger verbeugte sich. Für ihn war dies tatsächlich eine Ehre. Und für Dietmar eine weitere Bewährungsprobe.
»Auch ich verlasse Euch ungern, Sire«, sagte er dennoch und meinte es ehrlich. Rüdiger machte sich allerdings keinerlei Sorgen um Prinz Ludwig. Der würde mit Johann schon fertig werden. »Und ich wünsche Euch Glück!«
Der Prinz nickte ihm zu. »Desgleichen, Herr Rüdiger. Und bitte bestellt Herrn Dietmar ebenfalls meine besten
Weitere Kostenlose Bücher