Das Erbe der Pilgerin
Wünsche. Er hat bislang überaus tapfer gekämpft – eines Tages wird er auch sein Erbe erstreiten.«
Dietmar war nur wenig begeistert von der Idee, erneut in ein Feldlager zu ziehen und Truppen zu sammeln, statt sich gleich mit Prinz Ludwig in die Schlacht zu stürzen. Statt Ruhm und Ehre zu erringen, verbrachten die Ritter um König Philipp die nächsten Wochen größtenteils im Sattel auf dem Weg nach Paris und dann nach Péronne, wo Philipp sein neues Heer zusammenzog. Ludwig kämpfte dagegen schon mit den Engländern. Anfang Juli erreichte die Ritter die Nachricht, er habe Johann bei Roche-aux-Moines verheerend geschlagen und folge ihm jetzt nach Süden.
»Und wir hocken hier herum und lassen uns von den Mücken auffressen«, nörgelte Dietmar.
Sie lagerten am Ufer der Marque, einem eigentlich recht idyllischen Fluss im Grenzgebiet zu Flandern. Im Laufe des Tages sollte die Brücke bei Bouvines überquert werden, das Fußvolk war bereits übergesetzt. Dietmar haderte mit dem Befehl des Königs, sich vorerst zurückzuziehen, dabei hatte es in den letzten Tagen erstmalig ein paar Kämpfe gegeben. Die Armee war auf flandrischen Boden vorgestoßen und hatte den Ort Tournai eingenommen, ohne nennenswerte Verluste auf beiden Seiten. Die Stadt hatte sehr schnell die Waffen gestreckt, bot sie doch weder dem aufständischen Grafen von Flandern noch irgendeinem anderen wichtigen Kombattanten Asyl. König Philipp hatte sie dann auch rasch wieder verlassen. Allerdings nicht in Richtung Mortagne, wo Berichten zufolge das gegnerische Heer lagerte, sondern zurück nach Lille!
»Du wirst schon bald mehr Blut sehen, als uns all die Mücken hier in einem Sommer aussaugen können«, meinte Rüdiger, der mal wieder seine Waffen kontrollierte.
Er tat das mehrmals vor jeder Schlacht, als würde es ihm Glück bringen. Denn obwohl der junge Ritter das vielleicht noch nicht so wahrnahm – für Rüdiger lagen Schlachtenlärm und Blutgeruch in der Luft. Er wusste nicht, ob die Entscheidung des Königs richtig war, sich noch einmal zurückzuziehen, um sich einen eventuellen Fluchtweg ins französische Kernland offen zu lassen. Aber so nah, wie sie der gegnerischen Streitmacht zurzeit waren, gab es für jeden erfahrenen Ritter nur zwei Optionen: Entweder man selbst suchte den Feind, oder der Feind fand das eigene Heer. Rüdiger mochte nicht entscheiden, was in dieser Situation klüger war. Aber die Schlacht, das stand fest, war unvermeidlich.
Während er versuchte, Dietmar das zu erklären, trennten sich zwei Ritter mit einer Abteilung leichter Reiterei vom Lager der Ritterschaft: Der Vizegraf von Melun und der sehr streitbare Bischof von Senlis.
»Da siehst du’s«, meinte Rüdiger. »Ein paar andere können’s auch kaum erwarten. »Womöglich kommt es heute noch zur Schlacht.«
»Heute ist Sonntag«, brummte Dietmar. »Da gilt die Waffenruhe Gottes.«
Rüdiger grinste. »Ich wette, der Bischof handelt einen Dispens für uns aus, und wenn er sich damit an Sankt Georg persönlich wenden muss. Oder ist da eher der Erzengel Michael zuständig? Wer auch immer, wenn der Bischof kämpfen will, kriegt er ihn rum!«
Irgendetwas schien zumindest vorzugehen, denn der erwartete Befehl zum Überschreiten der Brücke erfolgte vorerst nicht. Und dann sahen die aufgeregten Ritter einen Boten ins Lager sprengen und sein Pferd vor dem Zelt des Königs anhalten.
»Das sieht nach einer dringlichen Nachricht aus«, meinte Rüdiger. »Hör zu, Dietmar, lass unsere Ritter schon mal aufmarschieren und bitte sie, den Zugang zur Brücke freizumachen. Wenn da wirklich etwas vorgeht, müssen die Fußsoldaten zurück, und das schnell.«
Der Befehl, die Truppen zurückzuholen, erfolgte nur kurze Zeit später. »Der Graf und der Bischof haben den Kaiser gefunden!«, verriet der Bote Dietmar und seinen Rittern, die ihre Vorbereitungen bereits getroffen hatten, »und sich natürlich sofort in den Kampf gestürzt. Ottos Vormarsch haben sie dabei schon gestoppt, aber zurückziehen wird der sich auch nicht.«
»Das heißt also, wir kämpfen hier?«, fragte Dietmar.
Ideal war das nicht, der Fluss engte die Franzosen ein.
»Der Kaiser bezieht Stellung in der Ebene zwischen Bouvines und Tournai«, gab der Ritter Auskunft. Er hatte zum Stoßtrupp des Grafen von Melun gehört. »Da wird nun auch gekämpft. Sofern sich die Herren noch einigen können, ob sie den Sonntag nun heiligen oder nicht. So richtig will jedenfalls keiner anfangen.«
Ein Bruch der
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