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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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über Sophias Schönheit zu ergehen.
    Das Mädchen schien allerdings kaum willig, seinen Schleier zu lüften. Es fühlte sich erkennbar unbehaglich, was ihm die Sympathien der Gräfin einbrachte.
    Geneviève war gegenüber dem dunklen Ritter weit weniger befangen. Sie zog ihn dem Grafen sogar auf eine Art vor, die Leonor bei jedem anderen ihrer Zöglinge als unhöflich getadelt hätte. Während sie die Schmeicheleien des Grafen und seine Versuche, ihr ein Stück besten Fleisches nach dem anderen auf den Teller zu legen, schlichtweg ignorierte, begrüßte sie den Ritter fast enthusiastisch.
    »Flambert! Das wird Vater freuen, dass der Graf dich an seinen Tisch berufen hat! Wie kommt das? Konntest du dich auszeichnen?« Geneviève lächelte, als sie das unwillige Stirnrunzeln der Gräfin ob dieser Vertraulichkeiten bemerkte. »Herrin, verzeiht, dass ich Euren Tischherrn mit Beschlag belege«, entschuldigte sie sich aufrichtig. »Hast du dich überhaupt schon vorgestellt, Flambert? Herrin, bitte verzeiht seine ungehobelten Sitten! Flambert de Montalban. Mein Bruder.«
    Deshalb also … die Gräfin überlegte kurz, was es wohl zu bedeuten hatte, dass ihr Gatte die Fränkin links von sich platzierte und ihr einen seiner verdientesten Ritter zugesellte, während er die Albigenserin zu seiner direkten Tischherrin wählte und ihren Bruder auf ihre andere Seite setzte. Zweifellos bestanden für Geneviève augenblicklich die größten Aussichten, die nächste Konkubine zu werden.
    Im Laufe der Mahlzeit stellte Leonor allerdings belustigt fest, dass Raymond sich gründlich geirrt hatte. Während Sophia zwar höflich, aber einsilbig auf Mathieu de Merenges Avancen antwortete, würdigte Geneviève die Bemühungen des Grafen in keiner Weise. Das eine der jungen Mädchen schob nervös die Speisen auf dem Teller herum und fühlte sich erkennbar unwohl an seinem exponierten Platz an der Tafel, das andere rümpfte die Nase über die erlesenen Stücke, die der Graf ihm vorlegte, und bat schließlich einen Diener um eine Schüssel Getreidebrei und einen Becher Wasser. Die karge Mahlzeit löffelte es dann aus, wobei es seinen Bruder einer inquisitorischen Fragerunde unterzog.
    »Du hast dich noch nicht an den ritterlichen Übungen beteiligt? Warum nicht? Wobei hast du mitgemacht? Bei einem Wettstreit im Lautenspiel? Du hast Verse geschmiedet? Flambert, das ist eitler Tand, das ist …«
    Flambert de Montalban schien sein Essen ebenfalls nicht zu schmecken. Dabei hatte er vor dem Eintreffen seiner Schwester mit großem Appetit zugelangt und seine Tischdame auch mit angemessenen Höflichkeiten unterhalten. Die Gräfin beschloss, einzugreifen.
    »Das ist etwas, wozu junge Ritter an diesem Hofe angehalten werden, Geneviève«, erklärte sie dem Mädchen streng. »Höfisches Verhalten, gepflegtes Auftreten, Übung in den Künsten, eine Dame zu unterhalten – ich will nicht sagen, dass dies den gleichen Stellenwert hat wie das Geschick, ein Schwert zu führen. Aber auch du wirst es zu schätzen wissen, wenn man dich eines Tages mit einem höfisch erzogenen Ritter und nicht mit einem groben Klotz verheiratet!«
    Geneviève blitzte die Gräfin an. »Ich werde nicht verheiratet, Herrin. Ich bin zur Parfaite meiner Kirche bestimmt.«
    Leonor seufzte. »Wie eine Nonne kleidest du dich ja tatsächlich schon. Aber das bitte ich dich, fürderhin zu ändern. Wenn du meinst, keine höfische Kleidung besitzen zu dürfen, so leih dir in Gottes Namen etwas von den anderen Mädchen. Solange du hier bist, wirst du dich gefälligst entsprechend verhalten. Dies ist ein Minnehof, kein Kloster.«
    Geneviève richtete sich auf. »Wenn es Euch beliebt, Herrin, so kann ich mich natürlich weltlich kleiden und die Laute spielen. Aber es ist mir keineswegs recht, dass Flambert seine Zeit damit vergeudet! Ihr mögt Euch darum sorgen, ob Eure Ritter mit sanfter Zunge Süßholz raspeln können. Aber bei uns geht es um unser Leben! Montalban ist das Tor nach Toulouse, Euer Hof wird vor unseren Mauern verteidigt. Und Simon de Montfort will nicht den Gesang unserer Troubadoure hören, sondern die Schreie der Gefolterten und das Prasseln der Scheiterhaufen. Deshalb schicken wir Euch unsere Ritter, Herrin. Und von Euch, Herr …«, Geneviève wandte sich an den bestürzten Grafen, »… von Euch hoffe ich, dass Ihr ihnen nicht nur beim Frauendienst ein Vorbild seid, sondern auch im Lanzenstechen und im Schwertkampf. Beim nächsten Mal, Flambert, möchte ich, dass du mir von

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