Das Erbe der Pilgerin
Auszeichnungen im Waffendienst berichtest. Nicht von feinen Versen!«
Mit blitzenden Augen erhob sich das Mädchen, stieß seinen Teller von sich und stürmte hinaus, bevor Leonor es noch tadeln konnte.
Flambert blickte peinlich berührt und murmelte Entschuldigungen, Sophia blieb fast das Herz stehen. Was für ein Auftritt! Diese junge Albigenserin maßregelte den Grafen und die Gräfin vor ihrem eigenen Hof. Sicher standen darauf drakonische Strafen. Sophia durfte gar nicht daran denken, was ihr Vater mit einem so aufmüpfigen Untertanen gemacht hätte.
Der Graf von Toulouse war jedoch von anderem Gemüt. Lachend stand er auf und hob seinen Becher auf das Wohl der flüchtenden Geneviève.
»Voilà, die Herren Ritter, eine Parfaite! Kein Wunder, dass die Pfaffen in Rom zum Kreuzzug gegen Okzitanien aufrufen. Sie neiden uns das Temperament unserer perfekten Frauen! Auf die Frauen von Toulouse!« Er leerte zum Beifall der Männer sein Glas.
Mathieu de Merenge erhob sich zum zweiten Trinkspruch. »Ihr habt es gehört, meine Herren! Ich denke, ab morgen zieht Ihr unter dem Zeichen der Parfaite Geneviève in den Kampf! Sie soll sich unserer nicht schämen! Auf die Frauen von Toulouse!«
De Merenge lächelte Sophia triumphierend an, während er trank, aber diese errötete nur wieder. Der schüchterne Flambert war ihr weitaus sympathischer als dieser selbstbewusste Draufgänger. Und die Gräfin tat ihr beinahe leid. Auch sie trug den Eklat mit Fassung, nur ihre schmalen Lippen bewiesen, dass sie in Raymonds Trinkspruch nicht nur eine genial diplomatische Lösung der Spannung sah, sondern auch Ausdruck seiner auflodernden Begeisterung für Geneviève. Nun, die junge Albigenserin würde sich noch einiges anhören müssen. Sophia wusste nicht viel von Minnehöfen, aber hier brauchte man keine genaueren Kenntnisse der höfischen Sitten: Was immer der Graf mit Geneviève plante – noch saß die Gräfin am längeren Hebel!
Kapitel 3
N un hab dich nicht so, Gerlin, im Grunde hat ihm die Kleine das Leben gerettet! Wenn sie nicht im richtigen Moment die Karte mit der Minneherrin ausgespielt hätte – Roland hätte ihn noch am gleichen Tag gefordert und zweifellos getötet!«
Rüdiger von Falkenberg sprach so gelassen wie möglich auf seine Schwester ein, die äußerst heftig auf seine Schilderungen des Turniers in Mainz reagierte. Rüdiger und Dietmar hatten sich noch einmal eine kurze Erholungszeit in Loches erbeten, bevor sie im Auftrag des Königs nach Boulogne weiterritten. Philipp August sammelte dort ein Heer gegen Johann von England. Der Papst hatte den englischen König seines Amtes enthoben und exkommuniziert, woraufhin sich Philipp sofort bereiterklärte, den Willen des Kirchenfürsten durchzusetzen. Natürlich in der Hoffnung, nicht nur die Plantagenets endgültig zu besiegen, sondern auch eigene Ansprüche auf die Herrschaft über England zu untermauern.
Für Dietmar würde dies der erste wirkliche Kriegszug sein, und der junge Ritter war entsprechend aufgeregt. Mit seinem Pflegevater Florís war er eben auf dem Übungsplatz, um Finten und raffinierte Angriffe und Verteidigungsstrategien zu erproben. Zweifellos auch, um den Kampf gegen Rüdiger noch einmal durchzuspielen. Dietmar war zwar nicht mehr beleidigt, aber doch in seiner Ehre gekränkt. Er hatte nicht gedacht, dass es seinem Oheim so leichtfallen würde, ihn in Grund und Boden zu tjosten.
Rüdiger berichtete Gerlin jetzt ausführlich von Mainz und Dietmars Liebelei mit Sophia von Ornemünde.
»Ohne diese Sophia hätte Roland aber gar keinen Grund gehabt, ihn zu fordern!«, gab sie nun wütend zurück. »Herrgott, Rüdiger, unter allen minniglichen Mädchen in Mainz und dem Erdkreis musste es ausgerechnet dieses sein? Konntest du nicht aufpassen?«
Rüdiger hob Verzeihung heischend die Hände. »Wer konnte das denn ahnen, Gerlin? Die kleine Fränkin tauchte mit dem Grafen von Toulouse auf, ich hielt sie für seine Tochter. Und ansonsten – wie sollte ich ihn hindern? Solche Dinge passieren nun einmal. Junge Ritter verlieben sich …«
»Das Mädchen schien aber doch auch angetan«, meinte Gerlin verärgert.
»Sie wussten voneinander nicht, woher sie kamen«, verteidigte Rüdiger die junge Liebe. »Und dann … mein Gott, Gerlin, wenn du nicht wolltest, dass er Artusromane liest und Minnesängern lauscht, dann hättest du ihn nicht an den französischen Hof schicken dürfen. Es soll noch ein paar spanische geben, wo man die Mädchen einmauert
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