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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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der Gräfin aber dennoch gut einsehbaren Tisch zu führen, an dem die weiblichen Zöglinge des Hofes saßen. Die meisten Mädchen waren noch sehr jung – Leonor stand dem Hof ja auch erst ein Jahr vor – und tändelten nicht offen mit den Rittern. Lediglich ein Mädchen saß neben seinem offensichtlichen Minneherrn und teilte den Teller mit ihm. Sophia ließ das sofort erröten. Hoffentlich erwartete man so etwas nicht auch von ihr!
    »Das sind Giselle de Tours – und Roderic de Martin. Sie sind sich versprochen!«, wisperte Ariane zu ihr hinüber und kicherte dabei, als verrate sie ein schlüpfriges Geheimnis. »Und da sind die beiden Mauren …«
    Sophia fühlte sich gleich besser, als sie die Herrin Ayesha Mariam erkannte. Sie saß mit ihrem Gatten an einem gesonderten Tisch und hatte ihr Gesicht halb unter einem Schleier verborgen. Also war es sicher nicht schlimm, wenn auch sie selbst ihr Haar bedeckte, obwohl all die anderen Mädchen ihre Locken offen oder geflochten aller Welt zur Schau stellten.
    Nun trat ein Page an Sophia und Geneviève heran. »Edle Damen … ich soll Euch an die Tafel des Grafen geleiten!« Der Junge verbeugte sich formvollendet.
    Sophia war glücklich, dass sie nicht nur auf das Anlegen des Schleiers bestanden hatte, sondern auch einen so weiten gewählt hatte, dass sie sich dahinter verstecken konnte. Sonst hätte jetzt jeder gesehen, dass sie schon wieder errötete. Geneviève ging es nicht anders. Sie schien nach Ausflüchten zu suchen, wusste jedoch, dass sie sich dem Wunsch des Grafen nicht entziehen konnte.
    Schließlich folgten die Mädchen dem Pagen durch den Saal, für Sophia ein Spießrutenlauf. Wie in jedem Saal eines Fürsten oder Burgherrn waren einfache Holztische aufgestellt, an denen Ritter und Damen tafelten, während der Herr der Gesellschaft an einem erhobenen Tisch vorsaß. Er teilte seine Tafel an Minnehöfen meist mit seiner Frau, aber auch oft genug mit wechselnden Favoritinnen. Dazu kamen verdiente Ritter mit ihren Damen. An weniger freizügigen Höfen tafelten Männer und Frauen getrennt voneinander, allenfalls die Herrin des Hauses war einmal zugelassen. Der Herr umgab sich dann mit bewährten Kampfgefährten und pflegte Ratgeber statt Gespielinnen zu erhöhen.
    Raymond de Toulouse, prächtig gekleidet in eine brokatene Tunika, das lange braune Haar zurückgehalten durch einen wertvollen Goldreif, schien prächtiger Laune, als er Sophia und Geneviève links und rechts von seinem eigenen Sitz platzierte. Den jungen Mädchen war das mehr als peinlich – und die Blicke der Gräfin schienen Feuer zu speien. Dem Grafen blieb das nicht verborgen.
    »Meine Gattin«, bemerkte er mit so lauter Stimme, dass zumindest die Ritter an den vordersten Tischen mithörten, »missbilligt offensichtlich, dass ich die Neuankömmlinge an unserem Hof nah bei mir willkommen heiße. Ja, ich weiß, meine Liebe, es steht so jungen Dingern wie den Damen Geneviève und Sophia nicht an, an der Seite eines Herrn zu tafeln, so sie nicht verwandt sind. Aber was das angeht … Der Vater der Herrin Sophia, Graf Roland von Ornemünde, stand mir von jeher nahe wie ein Bruder. Und was die Dame Geneviève angeht, so bestehen tatsächlich verwandtschaftliche Beziehungen über die mütterliche Linie …«
    Die Gräfin runzelte die Stirn. Ihr waren da keinerlei Verbindungen bekannt, aber natürlich hatte das Mädchen im Gespräch mit ihr erwähnt, ihre verstorbene Mutter stamme aus einer hohen Pariser Adelsfamilie. Irgendwie sollte sie sogar mit dem König verwandt sein – und darauf konnten sich zweifellos auch die Grafen von Toulouse berufen. Fast jedes wichtige Adelsgeschlecht eines Landes war irgendwie mit dem anderen verwandt, auch wenn die Zusammenhänge kaum noch erkennbar waren. Es war dreist von ihrem Gatten, daraus das Recht auf einen innigeren Umgang mit der jungen Geneviève abzuleiten.
    Die Gräfin selbst hatte man am Rande des Ehrentisches platziert, neben einem dunkel gekleideten, schüchtern wirkenden jungen Ritter mit langen schwarzen Locken. Auch er war neu. Wie hieß er noch? François … oder Flambert … Der Mann saß zwischen der Gräfin und Geneviève, die wiederum zur Rechten des Grafen platziert worden war. Sophia saß zu seiner Linken, ihr zweiter Tischherr war ein blonder, kräftiger junger Mann, tatsächlich ein Verwandter des Grafen und als verdienter Ritter hoch geschätzt.
    »Mathieu de Merenge«, stellte er sich gleich vor, um sich anschließend in wahren Elegien

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