Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
überraschend ereilt.
Ein paar Schritte daneben lag Toralf. Ein dunkles, feucht glänzendes Tuch umschlang seinen Hals, das die Blutung jedoch nicht zu stillen vermochte. Der graubärtige Kataure war noch bei Bewusstsein, doch er röchelte nur mehr. Seine Hand umklammerte starr die des Heermeisters, der mit aschfahler Miene neben ihm kniete.
»Ich … ich will nicht sterben«, keuchte er. Die Zähne bleich im blutigen Mund, wirkte er wie das Gestalt gewordene Grauen. »Es … es ist so kalt.« Er gab einen erstickten Laut von sich und hustete so heftig, dass ein Schwall dunklen, zähflüssigen Blutes zwischen seinen Lippen hervorquoll.
»Hab keine Furcht.« Mit Tränen in den Augen beugte sich Bayard über den Freund und Landsmann, um den Verband zu prüfen, doch was er sah, gab keinen Anlass zu Hoffnung – Toralf lag im Sterben. Die Augen weit geöffnet, starrte er Bayard an und rang nach Luft. Ein Schauer durchlief seinen Körper, und seine Lippen erzitterten in dem verzweifelten Versuch, noch etwas zu sagen. Doch das Blut erstickte seine Worte zu einem gurgelnden Laut. Dann verlor er das Bewusstsein.
»Wird … wird er durchkommen?« Die Decke eng um den Körper geschlungen, trat Ajana neben Keelin und blickte mit einer Mischung aus Sorge und Furcht auf die beiden Katauren herab.
Der junge Falkner schüttelte den Kopf und sagte nur: »Er hat es bald überstanden.« Er spürte Ajanas Entsetzen, fand aber keine tröstenden Worte. »Krieger sterben«, erklärte er so nüchtern, wie er es in der Ausbildung gelernt hatte, deutete auf die drei am Boden liegenden Gefährten und fügte hinzu. »Es gibt keinen Krieg ohne Opfer, aber nur wenige haben das Glück, so rasch zu sterben.«
»Es … es ist grauenhaft.« Ajanas Stimme bebte. »Das habe ich nicht gewollt.«
»Du hast dir nichts vorzuwerfen«, erwiderte Keelin. »Dich trifft keine Schuld an ihrem Tod.«
»Ich wünschte, du hättest Recht.« Ajana kämpfte gegen die Tränen an, dann wandte sie sich um und ging zu Maylea zurück, die schweigend ihre Sachen zusammenpackte. Keelin sah ihr verwundert nach. Dann gab er Abbas, der noch immer unentschlossen und zögerlich in Dunkeln vor der Höhle wartete, ein Zeichen, ihm zu folgen. Gemeinsam halfen sie Feanor, die Leichname der Getöteten unter einem Hügel aus Steinen zu bestatten.
Toralf starb im Morgengrauen, ohne noch einmal das Bewusstsein erlangt zu haben. Der Tod kam leise, als die ersten blassen Strahlen der Sonne sich suchend in das Dunkel am östlichen Horizont vortasteten. Ein letzter Atemzug, ein letztes Husten, ein letztes, befreites Seufzen, dann erschlaffte sein Körper und gab die Seele frei. Bayard löste die verkrampften Finger sanft von seiner Hand, verschränkte die Arme des Toten nach Kataurenart vor der Brust und erhob sich. Mit steifen Gliedern trat er zu Maylea und Ajana, die ihn im Innern der Höhle erwarteten. »Toralf hat seinen letzten Ritt angetreten«, sagte er mit leidvollem Blick.
»Wer hat das getan?« Endlich konnte Maylea die Frage stellen, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte. Sie war durch die Rufe des Falken erwacht, hatte aber nur noch einen Schatten flüchten sehen. Danach hatte sie sich sofort um den schwer verletzten Toralf gekümmert, während Bayard zu den Wachposten geeilt war.
»Ajabani!« Verachtung und abgrundtiefer Hass vereinten sich in Bayards Stimme, als er antwortete.
»Ajabani?« Maylea hatte das Wort nie zuvor gehört.
»Heimtückische Meuchler«, erklärte Bayard. »Gesetzlose aus Andaurien, die sich dazu verdingen, das Blut Unschuldiger zu vergießen. Die Ajabani waren die Ersten, die dem dunklen Gott in den Wintern vor der Flucht anheim gefallen waren, und gehören auch heute noch zu seinen treuesten Anhängern.« Er griff in seine Gürteltasche, holte zwei blutverschmierte, sternförmige Metallscheiben hervor und hielt sie so, dass Maylea und Ajana sie sehen konnten. »Dies sind ihre Waffen. Sie haben Salih und Cirdan schnell und lautlos getötet.« Er schüttelte den Kopf und seufzte betrübt. »Thorns heilige Rösser, ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sie ihr blutiges Handwerk bis nach Nymath tragen.«
»Wie viele sind es?«, wollte Maylea wissen.
»Einer, vielleicht auch zwei.« Bayard machte eine hilflose Geste. »Sie arbeiten zumeist allein. Ich habe auch nur einen gesehen, aber wer weiß.«
Er steckte die Wurfsterne zurück in die Tasche und wandte sich um. »Es wird hell«, stellte er mit einem Blick auf
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