Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
umschlichen wie Raubkatzen ihre Beute.
»Auch wenn es wohl niemand mehr erfahren wird«, rief Keelin Abbas über das Lärmen des Kampfes hinweg zu, »Ruhm und Ehre hast du dir redlich verdient!«
»Und ich werde immer stolz darauf sein, einen Bastard zum Freund gehabt zu haben!«, erwiderte Abbas. Dann hob er die Peitsche, und der Schlagabtausch begann.
Der Kampf wogte hin und her. Während Abbas die beiden Uzoma mit seiner Feuerpeitsche in Schach hielt, hatte Keelin große Mühe, sich mit dem Kurzschwert gegen die Lanze seines Gegners zu wehren. Die ständigen Attacken ermüdeten ihn, und es schien außer Frage zu stehen, wer siegreich aus diesem Kampf hervorgehen würde. Keelin hörte Abbas aufschreien, doch der eigene Gegner bedrängte ihn zu sehr, als dass er dem Freund hätte zu Hilfe eilen können. Seine Bewegungen wurden immer schwerfälliger, die Paraden kamen nur noch schleppend. Der Uzoma musste ein hervorragender Krieger sein. Seine Kräfte schienen unerschöpflich. Je schwächer Keelin wurde, desto mehr verstärkte er die Wucht seiner Angriffe.
Keelin keuchte vor Anstrengung. Die Welt um ihn herum hatte keine Bedeutung mehr. Blutiger Nebel vor den Augen machte es ihm fast unmöglich, den Gegner zu erkennen. Schmerzen verspürte er keine, doch die Wunde am Arm blutete stark, und das Blut machte die Finger schlüpfrig. Keelin umklammerte das Schwert nun mit beiden Händen und parierte die Hiebe des Uzomas mit letzter Kraft.
Plötzlich durchzuckte ein stechender Schmerz sein rechtes Bein. Es knickte ein, Keelin ging zu Boden. Das Schwert entglitt seinen Händen, und er hörte den Uzoma triumphierend aufschreien. Die Lanze zum tödlichen Stoß erhoben, sah er den Krieger über sich aufragen, aber ihm fehlte die Kraft, sich wegzurollen.
Durch das pulsierende Rauschen des Blutes in seinen Ohren hörte er den vertrauten Pfiff eines Falken – Horus’ Pfiff. Der Gedanke an den gefiederten Freund ließ ihn noch einmal alle Kräfte zusammennehmen und die Starre überwinden, die von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Keelin blickte zum Himmel und sah, wie sich der Falke im Sturzflug auf den Uzoma stürzte. Dann gruben sich die ausgestreckten Krallen tief in das Gesicht des Kriegers, während er mit dem spitzen Schnabel nach dessen Augen hackte. Der Uzoma schrie auf, ließ die Lanze fallen und sank auf die Knie. Blindlings um sich schlagend, versuchte er, sich des gefiederten Angreifers zu erwehren, aber Horus ließ sich nicht vertreiben. Flügelschlagend klammerte er sich an dem Uzoma fest und hackte weiter auf ihn ein. Blut spritzte, und die gellenden Schreie des Kriegers vereinigten sich mit dem Kreischen des Falken zu einem grausigen Chor.
Endlich gelang es dem Uzoma, den Falken zu packen und ihn fortzuschleudern. Doch da war Keelin schon wieder auf den Beinen. Die gegnerische Lanze in den Händen, trat er vor den grauenhaft entstellten Krieger, der sich schreiend vor Schmerzen auf dem Boden wand, und beendete dessen Leben mit einem einzigen Stoß.
Erschöpft sank der junge Falkner zu Boden. Sein Herz hämmerte wild, sein Atem ging keuchend und stoßweise. Unfähig, auch nur eine einzige weitere Bewegung zu machen, schloss er die Augen und verharrte.
Es dauerte lange, bis Keelin merkte, wie ruhig es um ihn war. Noch länger dauerte es, bis er begriff, was diese Ruhe zu bedeuten hatte: Der Kampf war vorbei, und er war noch am Leben.
… am Leben.
Nur sehr langsam erfasste er das ganze Ausmaß dieser Worte. Wie betäubt saß er da, den Kopf auf die Arme gestützt, die auf den angewinkelten Knien ruhten, hielt die Augen geschlossen und lauschte auf den eigenen Atem.
… am Leben.
Allmählich drangen auch andere Geräusche zu ihm vor. Das qualvolle Stöhnen eines Verwundeten, das Schnauben eines Pferdes, das Klirren einer Trense und schleppende Schritte.
Keelin hob den Kopf und schaute in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Nicht weit von ihm entfernt stand Bayard, die blutige Asnarklinge in der Hand. Der Heermeister war von Staub bedeckt, die Kleidung zerrissen, Haare und Bart zerzaust. Er wirkte erschöpft, aber er lebte. Seine Augen waren auf eine verkrümmte Gestalt am Boden gerichtet, die sich stöhnend und zuckend bewegte. Ohne dass sein Gesicht eine Regung zeigte, hob Bayard den gewellten Beidhänder und ließ ihn auf den Krieger niedersausen.
Das Geräusch berstender Knochen ertönte, und das Stöhnen erstarb. Der Heermeister wischte das frische Blut am Gewand des Getöteten ab und
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