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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Stelle, woher das Geräusch kam, und wäre beinahe über die gefesselte Gestalt gestolpert, die vor ihm am Boden lag. Die Gefangene schien noch sehr jung zu sein. Ihr rußgeschwärztes Gesicht war den Flammen zugewandt, die kaum eine Armeslänge von ihr entfernt auf dem Boden loderten. Ihre Augen waren geschlossen – aber sie lebte!
    Ohne zu zögern kniete Keelin neben dem Mädchen nieder, nahm den geschundenen Körper auf die Arme und eilte geduckt unter den brennenden Schilfbüscheln hindurch, die großflächig von der Decke herabstürzten. Rings um ihn schlugen die Flammen höher, leckten an den Wänden empor und verzehrten das spärliche Holz mit heißen Zungen. Die unerträgliche Hitze versengte Keelins Haut. Glimmendes Ried fiel ihm auf die Hände, doch er unterdrückte den Schmerz und schüttelte es hastig ab. Während er mit großen Schritten auf die Tür zueilte, stürzte ein brennender Balken unmittelbar vor ihm von der Decke und versperrte ihm den Fluchtweg. Funken stoben auf, und ein Schauer aus glühenden Riedstöcken ergoss sich über die Flüchtenden. Keelin keuchte. Schweiß rann ihm von der Stirn, und seine Arme zitterten vor Anstrengung. Mit der jungen Frau auf den Armen war es unmöglich, das Hindernis zu überwinden. Das Dach über seinem Kopf ächzte bedrohlich. Es konnte nur mehr Augenblicke dauern, bis auch die letzten Balken dem Ansturm des Feuers erlagen.
    Kurz entschlossen legte er die Besinnungslose auf den Boden und zwängte sich auf Knien durch die kleine dreieckige Öffnung, die der quer liegende Balken ihm bor. Auf der anderen Seite angekommen, drehte er sich um, duckte sich und zerrte seinen Schützling an den Füßen unter dem brennenden Holz hindurch aus der Flammenhölle.
    Ein heftiger Schwindel erfasste ihn, und schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, als er sich aufrichtete und die junge Frau wieder auf die Arme nahm.
    Kaum mehr fünf Schritte trennten Keelin jetzt noch von der Tür, doch diese fünf Schritte wurden zu den qualvollsten seines Lebens. Taumelnd schleppte er sich an der Wand entlang. Die Welt um ihn herum schrumpfte zusammen, bis sie nur mehr aus dem einen hellen, rechteckigen Fleck bestand, der Rettung verhieß.
    Rettung! Luft!
    Hustend und röchelnd stolperte Keelin aus dem gelblichen Qualm, der durch die Türöffnung quoll, und taumelte mit der Geretteten auf den Armen ins Freie.
    Im nächsten Augenblick gab das Gebälk der Hütte endgültig nach. Das Dach stürzte in einer gewaltigen Stichflamme in sich zusammen und verwandelte die Hütte in ein glutheißes Flammenmeer.
    Luft!
    Mit hechelnden Atemzügen sog Keelin Luft in die gemarterten Lungen. Er taumelte mehrere Schritte vorwärts, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Entkräftet sank er auf die Knie und brach besinnungslos zusammen. Der durchdringende Brandgeruch begleitete ihn weit in die Ohnmacht hinein und weckte in ihm die albtraumhafte Erinnerung an ein Ereignis, das er längst vergessen geglaubt hatte …
     
    … Im Traum war er wieder ein Junge von acht Wintern und stand vor Arifs Laden, einem der unzähligen Fischhändler, die sich in der Nähe des Hafens von Sanforan angesiedelt hatten. Hier verdiente er sich hin und wieder ein paar Kupferstücke, indem er Holzreste für Arifs Räucheröfen in großen Körben auf dem Rücken von dem Sägewerk am anderen Ende der Stadt zur Räucherkate schleppte.
    An diesem Morgen hätte er die Münzen gut gebrauchen können. Es war der Namenstag seiner Mutter, und er liebte sie sehr. Deshalb wollte er sie an diesem Tag mit einem Tellerfisch überraschen. Die flachen, goldgesprenkelten Fische waren ihr Leibgericht. Doch nur selten reichte das Geld, um sich ein solches Festmahl leisten zu können.
    Schon früh hatte er sich aus der kleinen Kammer geschlichen, die er mit seiner Mutter unter dem Dach eine Hafentaverne teilte, und suchte seitdem nach einer Gelegenheit, sich ein paar Münzen zu verdienen.
    Der würzige Rauch des feuchten Purkaholzes zog durch die schmalen Gassen zwischen den Häusern und hüllte Keelin ein, als er den Fischhändler aufsuchte. Aber dieses Mal war er zu spät; andere Jungen waren ihm zuvorgekommen. Es gab keine Arbeit mehr – bis auf ein paar Holzkisten, die noch gesäubert werden mussten.
    Glücklich, wenigstens diese Aufgabe gefunden zu haben, machte er sich mit den Kisten auf dem Weg zum Wasser. Das Holz verströmte einen durchdringenden Rauchgeruch. Mit einer harten Bürste schrubbte er die Fischschuppen und Fettreste gründlich ab,

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