Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
Die trockenen Halme nährten die Flammen, und während die Krieger zu beiden Seiten der Tür mit angehaltenem Atem darauf warteten, dass das Feuer seine zerstörerische Wirkung entfaltete, wurde aus der dünnen Rauchfahne bald eine dicke gelbliche Rauchsäule, die in der windstillen Luft Unheil verkündend zum Himmel aufstieg. Mit leisem Knistern und Knacken fraßen sich die Flammen durch das Ried und setzten immer mehr Halme in Brand, bis die Flammenzungen aus dem Dach loderten. Einmal entfacht, war das Feuer nicht mehr aufzuhalten. Was dem verheerenden Angriff der Uzoma entgangen war, wurde nun ein Raub der Flammen. Knisternd und Funken sprühend schossen sie in die Höhe und verzehrten das trockene Ried so gierig, dass ein Teil des beschädigten Daches schon bald einstürzte.
Aufgeregte Schreie und Warnrufe erklangen aus dem Innern der Hütte, als die Uzoma die Gefahr bemerkten. Das Geräusch eines umgestoßenen Stuhles mischte sich mit dem lauten Scheppern zerberstenden Tongeschirrs und dem Klirren von Metall. Dann wurde die Tür aufgerissen, und der erste Uzoma stürzte hustend ins Freie.
Weit kam er nicht. Bayard erwartete ihn mit dem blank gezogenen Beidhänder. Ein einziger, rasch geführter Hieb beendete das Leben des dunkelhäutigen Kriegers, ehe er die Gefahr überhaupt erahnen konnte. Den Blick ungläubig auf den bärtigen Katauren gerichtet und die klaffende Wunde an der Kehle mit beidem Händen umklammernd, sank er zu Boden, während das Licht in seinen Augen erlosch.
Aber damit war die Gefahr längst nicht gebannt. Die anderen Uzomakrieger stürmten mit blitzenden Messern abwehrbereit aus der brennenden Hütte ins Freie. Es waren vier. Zwei von ihnen stürzten sich sogleich auf Bayard, der ihnen den Weg versperrte, die anderen waren kurz darauf in einen erbitterten Kampf mit den Kriegern des Spähtrupps verwickelt.
Keelin, der mit gezücktem Kurzschwert neben der Tür kauerte, ließ den Eingang der Hütte nicht aus den Augen. Es war ungewiss, wie viele Krieger sich wirklich in dem Gebäude aufgehalten hatten, und er zögerte, sich hineinzubegeben.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Bayard mit einer geschickten Drehung den nächststehenden Uzoma enthauptete und sich mit zornigem Gebrüll dem zweiten Angreifer zuwandte, der ihn lauernd erwartete.
Die beiden anderen Uzoma waren mittlerweile von vier Katauren umringt, die sie mit langen Lanzen an die Hauswand drängten. Noch gelang es den dunkelhäutigen Kriegern, die Tod bringenden Waffen abzuwehren, doch Keelin ahnte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis eine der Lanzen die Deckung durchbrach.
Der junge Falkner richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Innere der Hütte. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Das Feuer griff sehr viel schneller um sich als vermutet. Wenn er nicht sofort handelte, würde die Gefangene in dem dichten Qualm ersticken.
Er holte tief Luft, zog sich die Kapuze des Umhangs tief ins Gesicht und stürmte, den Ärmel fest auf Mund und Nase gepresst, in die Hütte. Der beißende Rauch raubte ihm die Sicht und trieb ihm Tränen in die Augen, aber er kämpfte sich verbissen voran. Schritt um Schritt tastete er sich wie ein Blinder an der Wand entlang, in der Hoffnung, die Gefangene irgendwo zu finden.
Eilig ließ er Tür und Windfang hinter sich und hastete mit großen Schritten in den einzigen Raum der Hütte, der mit beißendem Qualm erfüllt war. Das Dach brannte nun lichterloh. Glimmende Riedstücke und glühende Funken rieselten wie ein feuriger Regen zu Boden und hatte bereits an unzähligen Stellen das herumliegende Schilf entzündet.
Keelin keuchte vor Anstrengung. Hitze und Qualm machten ihm das Luftholen schwer, und er wagte kaum zu atmen.
Raus. Nur raus hier! , kreischte die warnende Stimme der Vernunft in ihm, doch er setzte die Suche unbeirrt fort. Die Flammen leckten an den hölzernen Beinen des Tisches und der Stühle und verschlangen gierig das trockene Holz, während das Gebälk des Daches bedrohlich unter dem Ansturm des Feuers ächzte.
Ich muss sie finden!
Keelin wusste, dass es für ihn den Tod bedeuten konnte, wenn er noch länger in der Flammenhölle blieb. Das Dach drohte jeden Augenblick in sich zusammenzufallen und ihn unter sich zu begraben. Er musste hier raus, und zwar schnell. Doch plötzlich hörte er ein leises Husten und Wimmern. Keelin horchte auf. Das konnte nur die Gefangene sein! Wieder erklang ein Husten, erstickt und würgend, aber es war ein Zeichen für Leben.
Keelin lief zu der
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