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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Die Worte kamen ihr nur schleppend über die Lippen. Mit einer unkontrolliert heftigen Handbewegung fegte sie die Tabletten vom Tisch, »Ihr … ihr habt doch alle … alle keine Ahnung. Du nicht, die … die Kripo nicht und erst recht nicht dieser … dieser Möchtegern-Psy… Psychologe, dem nichts Besseres einfällt, als mir das hier zu verschreiben. Ihr versucht … versucht mir einzureden, dass alles gut wird, dass sie irgendwann wieder zu … zurück nach … nach Hause kommt, dass sie nicht …« Mit einer fahrigen Handbewegung griff sie nach dem Zeitungsausschnitt, zerknüllte ihn und warf ihn trotzig zu Boden.
    »Ihr macht mir alle etwas vor!«, rief sie aus. »Sagt, es … es gäbe noch Hoffnung. Dabei …« Sie schüttelte den Kopf und blickte ihren Mann aus leeren Augen an. »Hoffnung!« Die Art, wie sie das Wort aussprach, ließ keinen Zweifel daran, dass es diese für sie nicht mehr gab. »Habt ihr denn immer noch nicht be… begriffen, dass wir … dass wir sie niemals Wiedersehen werden?« Schluchzend barg sie das Gesicht in den Händen, ihre Schultern bebten. Sie weinte.
    Die Verzweiflung ihrer Mutter zerriss Ajana fast das Herz. Am liebsten wäre sie auf sie zugerannt, hätte sie in die Arme geschlossen und ihr gesagt, dass es ihr gut ging und es keinen Grund gab, sich um sie zu sorgen. Aber der Traum zwang sie in die Rolle des stillen Beobachters. So sehr sie sich auch dagegen wehrte, er hielt sie fest und ließ nicht zu, dass sie eingriff.
    Ihr Vater blieb gefasst und versuchte in fast beschwörendem Ton, sie zu beruhigen.
    »Es ist für uns alle ein hartes Jahr gewesen«, sagte er mitfühlend. »Aber solange sie nicht gefunden wurde, dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben, Laura.« Es sollte zuversichtlich klingen, doch es hörte sich an, als ob er diesen Satz schon zum hundertsten Mal sagte. »Du nicht, ich nicht und Rowen auch nicht. Wir müssen …« Er stockte und bedachte seine Frau, die mutlos vor sich hin stierte, mit einem kummervollen Blick.
    Sie hörte ihm nicht einmal zu.
    Kyle Evans seufzte resignierend und murmelte: »Ach, lassen wir das.« Dann machte er sich daran, die Küche zu verlassen.
    »Nein! Warte! Mam, Dad! Ich bin hier. Es geht mir gut!« Ajana schrie aus Leibeskräften. Vergeblich. Ihre Eltern hörten es nicht.
     
    Zitternd und mit hämmerndem Herzschlag fuhr Ajana aus dem Schlaf hoch. Der laute Schrei brannte noch in ihrer Kehle, und der Sturm der Gefühle, die der Traum in ihr entfesselt hatte, toste durch ihren Körper.
    Ihre Mutter war depressiv, der Vater verzweifelt … Erschüttert rief sie sich die Bilder des Traums noch einmal in Erinnerung. War es das, was sie zu Hause erwartete? Oder gaukelte ihr der Traum nur etwas vor?
    Ajana atmete tief durch.
    Das Drama, das sich scheinbar in ihrem Elternhaus abspielte, verdrängte sogar den Kummer über Keelins abweisendes Verhalten aus ihren Gedanken.
    »Es war nur ein Traum«, versuchte sie sich selbst zu beruhigen und rief sich in Erinnerung, was sie einmal über Träume gelesen hatte: Träume spinnen in Krisensituationen gerne ihre eigenen Geschichten, sodass die Träumenden im Schlaf häufig von Sorgen und verborgenen Ängsten gequält werden, die nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben …
    Eine Krisensituation! Ajana überlegte. In einer Krisensituation steckte sie fürwahr.
    Andererseits war es aber auch durchaus möglich, dass ihre Eltern vor lauter Sorge um sie in Panik und Verzweiflung verfielen. Ein Kind zu vermissen war eine extreme Erfahrung, mit denen jeder anders und manche gar nicht fertig wurden.
    Ajana verschränkte die Hände hinter dem Kopf, schaute zum Fenster hinüber und wartete darauf, dass sich ihr Herzschlag beruhigte.
    Draußen war es dunkel, der Morgen noch fern. Aber an Schlaf war nicht mehr zu denken. Immer wieder tauchten die erschreckenden Bilder des Traums in ihren Gedanken auf. Die Frage, wie viel Wahrheit dahinter steckte, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Am liebsten wäre sie sofort aufgestanden und zum Ulvars geritten, aber die Knospen hatten sich noch nicht entfaltet. Es war zu früh.
    Zu früh … Ajana stutzte. Sie hatte keinen Grund, an Inahwens Worten zu zweifeln, dennoch regte sich in ihr ein leises Misstrauen. Seit sie den verbrannten Baum im Herbst besucht hatte, war sie nicht mehr selbst dorthin geritten. Vertrauensvoll hatte sie den Worten des Hohen Rates Glauben geschenkt, der ihr versichert hatte, dass die Falken im Frühling regelmäßig zum Ulvars

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