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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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fliegen würden, um den rechten Zeitpunkt für ihre Heimkehr herauszufinden.
    Inahwen hatte ihr am Abend die erste Knospe gezeigt und von einer baldigen Heimkehr gesprochen. Aber konnte es denn nicht möglich sein, dass auch die anderen Knospen des Ulvars längst sprossen?
    Der Hohe Rat plante ihr zu Ehren ein großes Fest. Wäre es nicht denkbar, dass dessen Vorbereitungen den Zeitpunkt ihrer Heimkehr unnötig hinauszögerten? Vielleicht war das, was Inahwen ihr erzählt hatte, ja nur ein Teil der Wahrheit. Vielleicht musste sie gar nicht mehr so lange warten.
    Der Gedanke vertrieb auch den letzten Rest von Müdigkeit. Ajana setzte sich auf und schlug die Decke zurück. Es war, als hätte der Traum sie wachgerüttelt und die Lethargie vertrieben, die sich durch das bequeme Leben in Sanforan bei ihr eingeschlichen hatte. Jetzt erst wurde ihr so richtig bewusst, welches Leid sie ihrer Familie durch ihr rätselhaftes Verschwinden zugefügt hatte. Für jene, die sie zurückgelassen hatte, war ihre Reise nach Nymath ein furchtbares Unglück, ein Mysterium, dessen Lösung noch immer im Dunkeln lag und das das Leben ihrer Eltern und ihres Bruders für immer verändert und vielleicht sogar zerstört hatte.
    Plötzlich schämte Ajana sich. Wie hatte sie nur so gedankenlos sein können? Es war nicht gleichgültig, ob sie heute oder morgen nach Hause zurückkehrte. Jede Stunde, jede Minute, die sie früher heimkehren konnte, zählte in Wahrheit.
    Mit Schrecken dachte sie daran, wie viele Menschen sich aus Verzweiflung das Leben nahmen. Sie machte sich große Sorgen um ihre Mutter und wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. In Windeseile zog sie sich an, schlüpfte in die weichen Reitstiefel, griff nach dem wärmenden Umhang und verließ ihr Zimmer.
    Sie musste Gewissheit haben. Jetzt! Sofort! Und dafür gab es nur einen Weg: den Ritt zum Ulvars.

 

     
     
     
     
     
    Yenu wagte keinen Versuch zu fliehen. Sie stand mit dem Rücken zum Baum, krallte die Finger in die borkige Rinde und hielt den Atem an.
    Im Dickicht vor ihr bewegte sich etwas.
    Die raschelnden Laute jagten ihr einen eisigen Schrecken durch den Körper. Zitternd presste sie sich noch fester gegen den Stamm und starrte in die Dunkelheit hinaus.
    Dann, so plötzlich, als hätte jemand die Lebensader der Geräusche durchtrennt, war es still.
    Zu still.
    Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass die Abwesenheit von Geräuschen so vollkommen sein könnte. Sie fühlte, wie sich ihre Lungen zusammenkrampften, und schnappte nach Luft. Fast zum Greifen nah spürte sie eine fremde Wesenheit und glaubte über das pulsierende Rauschen des Blutes in ihren Ohren hinweg Schritte zu hören.
    Ganz nah!
    Die Furcht schnürte ihr die Kehle zu.
    »Du hättest den Fluss nicht überqueren sollen.« Die Stimme der Fremden war leise, kaum mehr als ein Hauch an ihrem Ohr.
    Yenu zuckte zusammen. »Bitte«, flehte sie. »Bitte tut mir nichts.«
    »Warum sollte ich dir etwas tun?« Spott schwang in den Worten der Frau mit. »Du bist eine Hedero. Nicht mehr als eine Randfigur im großen Plan. Abkömmling eines harmlosen und unbedeutenden Völkchens, dass im Unterholz herumstreift und nur deshalb noch nicht ausgerottet ist, weil die Katzenfrauen den Samen eurer Krieger schätzen.« Die Fremde gab einen verächtlichen Laut von sich und kam um den Baum herum.
    Im schwachen Licht des Silbermondes, das durch die Baumkronen sickerte, war sie nur schemenhaft zu erkennen, doch was Yenu sah, war nicht gerade dazu angetan, ihre Anspannung zu lindern.
    Sie besaß die Statur einer Kriegerin und war größer als die meisten Hedero. Die nachtschwarzen Haare waren eng am Kopf zu dünnen Zöpfen geflochten und hingen im Nacken lose herunter. Ein lederner Brustharnisch schützte ihren Oberkörper, auf dem an einer kurzen Kette ein silberner Halbmond schimmerte; ein Lendenschurz, der wie ein kurzer Rock geschnitten war, bedeckte Bauch und Hüften. Um die Unterarme und Waden wanden sich breite Lederriemen. Über den Rücken trug sie einen Köcher mit Pfeilen sowie einen kurzen Bogen, und am Gürtel schimmerte der blanke Griff eines Kurzschwerts in einer ledernen Scheide. »Dies ist das Gebiet der Nuur«, sagte sie streng. »Also, was hast du hier zu suchen?«
    Eine Nuur! Yenu biss sich auf die Lippen.
     
    Ich singe von jenen, tief im Wald,
    die tapfer sich wehren des Blutgott’s Gewalt,
    die klug sich verbergen vor Rache und Not,
    der Häscher sich wehren bis treu in den Tod …
     
    Jedes

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