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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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geschenkt?« Sie stieß einen kurzen bellenden Laut aus. »O nein, das glaubst du nicht wirklich, oder? Ich habe gehört, welch unglaublicher Schuss dir mit verbundenen Augen gelungen ist. Gesetzt den Fall, dass es kein Zufall war, sage ich es dir noch einmal ganz deutlich: Ich erwarte von dir, dass du morgen beim Gottesurteil daneben schießt. Verstanden? Es ist mir gleich, ob du die Felis tötest oder irgendeinen dieser gaffenden Bastarde, die die Hinrichtung mit ansehen wollen. Es ist mir sogar gleich, ob du einen Krieger der Tempelgarde tötest, wenn du nur das Seil verfehlst, das die Felis hält. Hast du mich verstanden?«
    »Nicht ganz.« Keelin bemühte sich um einen festen Tonfall. »Was geschieht, wenn ich das Seil treffe?«
    »Bist du wirklich so einfältig, oder tust du nur so?« Vhara war außer sich. »Wenn du das Seil triffst, wird die Felis am Leben bleiben, so lautet das Gesetz. Aber du bist dann ein toter Mann.«
    Keelin nickte schweigend. Er hatte verstanden. Das also war es, was man von einem Gottesboten erwartete.
    »Es ist keine Schande, das Ziel zu verfehlen«, hörte er Vhara nun einlenkend sagen. »Bisher hat noch nie ein Gottesbote das Seil getroffen. Bei dir scheint es mir jedoch angebracht, dich daran zu erinnern, dass niemandem hier – niemandem, verstehst du? – daran gelegen ist, dass die Katzenfrau am Leben bleibt.«
    »Ich habe verstanden.« Keelin gab sich einsichtig. Je schneller Vhara glaubte, dass er sich ihrer Forderung beugen würde, desto schneller konnte er auch wieder gehen. Mit einer unbewussten Bewegung strich er sich über das ungewohnt glatt rasierte Kinn.
    »Nun gut.« Vhara schien zufrieden. »Es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie sehr ihr Sterblichen euer eigenes Leben zu schätzen wisst. Ich verlasse mich auf dich. Und vergiss nicht: Die Pfeile meiner Krieger werden auf dich gerichtet sein.«
    Keelin nickte und deutete eine leichte Verbeugung an.
    »Gut. Ich hatte auch nichts anderes erwartet.« Vhara machte eine wedelnde Handbewegung. »Und nun verschwinde. Ich habe nicht ewig Zeit.«
    »Ehrwürdige.« Keelin verabschiedete sich mit einem Kopfnicken, wandte sich um und ging zur Tür.
    »Warte!« Die Stimme der Hohepriesterin schnitt wie ein Schwertstreich durch die Stille. Keelin hörte, wie sie sich erhob und ihm eiligen Schrittes folgte.
    »Sieh mich an!« Vhara stand nun unmittelbar hinter ihm.
    Langsam drehte sich Keelin um.
    »Du kommst mir irgendwie bekannt vor.« Sie maß ihn mit prüfendem Blick. »Diese Augen, dieser Blick … Sag mir, sind wir uns schon einmal irgendwo begegnet?«
    »Ich sah Euch schon häufig aus der Ferne«, erwiderte Keelin. Die Worte kamen ihm so glatt über die Lippen, dass es ihn selbst überraschte.
    »So, so. Von weitem also.« Vhara schritt um ihn herum und begutachtete ihn wie ein Tarpanhändler die Paarhufer auf dem Viehmarkt. »Ich weiß, ich habe dich schon einmal gesehen«, murmelte sie mehr zu sich selbst. »Aber wo? Wo nur?«
    Keelin spürte, dass Vhara kurz davor stand, das Geheimnis zu lüften, und hielt den Atem an. Er wollte gerade etwas erwidern, da klopfte es.
    Ein Diener trat ein und verneigte sich demütig.
    »Ehrwürdige, die Priesterinnen harren Eurer schon seit geraumer Zeit«, erinnerte er sie.
    »Ja, ja, ich weiß! Kann ich hier denn nicht einen Gedanken zu Ende fuhren, ohne gestört zu werden?« Vhara fuhr sich gereizt mit der Hand über die Augen. »Also gut, sag ihnen, ich komme.« Sie scheuchte den Diener mit einer ungeduldigen Handbewegung fort und legte Keelin die Hand auf die Schulter.
    »Und du«, säuselte sie ihm ins Ohr, »tust morgen genau das, was ich dir gesagt habe.«
     
     

    ***
     
    Die Schankstube, der Vorratsraum, ja sogar der askarische Wirt, all das war Suara schon fast vertraut, als sie zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit das Wirtshaus betrat, von dem der unterirdische Gang zum geheimen Treffpunkt der Streiter führte.
    Der Wirt erwartete sie bereits. Wie zuvor begleitete er sie unter einem Vorwand zunächst in die Küche und dann in den Kellerraum.
    »Wo ist Eure Mitstreiterin?«, erkundigte er sich, während er ihr die Tür zu dem Geheimgang öffnete.
    »Sie fühlt sich nicht wohl«, gab Suara ausweichend Antwort. Das entsprach nicht der Wahrheit, aber der Wirt gab sich mit der Antwort zufrieden.
    Es war die Vorsicht, die Oxana davon abgehalten hatte, sie zu begleiten. Wenn Suara bis zur Mitte der Nacht nicht zurückgekehrt war, würde Oxana versuchen, die Streiter auf einem

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