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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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versichern. Die Furcht in den Augen ihrer Freundin rührte sie. Einen winzigen Augenblick lang zögerte sie noch, dann entschied sie sich, Yenu die ganze Wahrheit über ihre Flucht zu erzählen, in der Hoffnung, dass diese Aussicht auch ihr Mut machte.
    »Ich weiß, dass Freunde in der Nähe sind«, begann sie vorsichtig. »Freunde, die uns helfen werden.«
    »Freunde?« Yenu verzog geringschätzig das Gesicht. »Ich meine mich zu erinnern, dass du Ähnliches auch von den Kwannen behauptet hast.«
    »Sie haben dir das Leben gerettet, oder nicht?«, zischte Miya Yenu zu. »Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie ausersehen wurden, ein Blutopfer zum Tempel zu bringen. Und nun hör mir zu …« Sie verstummte und lauschte, während in der Ferne der Schrei eines Säuglings ertönte.
    »Ich bin nicht allein wegen meines Gefährten geflohen«, erklärte sie mit eindringlichen Worten. »Ich wollte schon lange fort. Seit vielen Wintern bereits will ich mich den Streitern Callugars anschließen, die den alten Göttern huldigen.«
    »Du willst zu den Streitern?« Yenu starrte Miya überrascht an. »Aber wie? … Wo …?«
    »Still!« Miya hob mahnend die Hand. »Du hast selbst gesehen, dass ich meine Flucht schon lange vorbereitet hatte«, erklärte sie. »Vielleicht wäre ich nie gegangen, aber dann nahmen sie dich gefangen, und plötzlich wusste ich, warum ich so lange gezögert hatte. Es ist mein Schicksal, dich zu retten. Sei unbesorgt, wir haben den größten Teil des Wegs schon hinter uns. Die Streiter Callugars sollen sich hier irgendwo ganz in der Nähe versteckt halten. Wir müssen nur weiter nach Osten ziehen. Nahe der Wüste, jenseits des Stammesgebietes der Kwannen, werden wir sie – oder besser sie uns – finden.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?« Yenu war noch immer nicht überzeugt.
    »Ich habe mich erkundigt.« Miya lächelte. Sie wollte noch etwas hinzufügen, verstummte dann aber und lauschte.
    Neben der Hütte waren Schritte zu hören.
    »Leg dich wieder hin und tu so, als ob du schliefest«, sagte sie gehetzt. »Schnell. Der Heiler kommt zurück. Aber halte dich bereit. Heute Nacht sehen wir weiter.«
    Kaum hatte Yenu sich hingelegt, wurde der Lichtschein, der durch die Tür ins Innere der Hütte fiel, von einem dunkeln Schatten verdeckt. Holz knarrte, als jemand die Hütte betrat und langsam auf sie zukam. Miya wusste sofort, dass es nicht der Heiler war. Wie immer, wenn ein Gast in die Hütte des Heilers kam, richtete sie sich auf, um ihn zur Ruhe zu ermahnen. Da bemerkte sie weitere Bewegungen am Eingang.
    Er ist nicht allein. Der Gedanke durchzuckte sie wie ein Blitz. Ihr Mund wurde trocken, ihr Herz raste, und ihre Hände zitterten. An Flucht war nicht zu denken. Die Tür war der einzige Weg hinaus. Sie saßen in der Falle.
    Zu spät!, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe zu lange gezögert. Wir sind verloren!
    Verloren …
    Der Gedanke schnürte ihr die Kehle zu. Wie von selbst glitt ihre Hand zum Gürtel, dorthin, wo die Hederofrauen ihr Feuersteinmesser trugen. Aber die lederne Scheide war leer. Schon bei der Ankunft im Dorf der Kwannen hatte man ihr alle Waffen abgenommen. Sie hatte sich nicht dagegen gewehrt und nicht einmal versucht, das Messer zu behalten. Ein Fehler, den sie nun bitter bereute.
    »Schafft sie zu den Wagen!«
    Noch ehe Miya aufspringen konnte, griffen Hände nach ihr und hielten sie fest. Aufkreischend schlug sie um sich und wand sich wie ein gefangenes Tier, aber sie hatte den kräftigen Männern nichts entgegenzusetzen. Sie hörte Yenu wimmern, als die Männer auch sie ergriffen, und wusste, dass ihre Gegenwehr vergebens war. Niemand würde kommen, ihnen zu helfen. Sie waren allein.
    Die Männer zerrten sie ins Freie, hin zu einem Käfig aus Schilfrohr, der auf einem Karren bereitstand. Mit aller Macht stemmte Miya die Füße gegen den Boden, biss, kratzte und trat, bis ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf ihren Widerstand brach. Die Streben des Käfigs verschwammen vor ihren Augen, die aufgebrachten Rufe der Männer klangen seltsam verzerrt und weit entfernt, Schatten griffen nach ihr und hüllten sie ein – und dann spürte sie nichts mehr.
     
     

    ***
     
    Am Abend des zweiten Tages nach dem Zwischenfall auf dem Marktplatz wurden Suara, Oxana und die anderen Priesterinnen in den großen Speisesaal ihrer Unterkunft gerufen. Die Hohepriesterin Vhara wollte dort persönlich zu ihnen sprechen. Obwohl bisher noch niemand Verdacht geschöpft hatte, wählten die

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