Das Erbe der Uraniden
dennoch… Wenn auch hundertfältiger Tod auf dem Wege zu euch lauert, keine Gefahr wollte ich scheuen, zu euch zu gelangen, den Schleier des Geheimnisses, der euch umgibt, zu lüften…
Wie einen Gott beneide ich diesen Unbekannten, der eine Macht besitzt, die ihn hin und her trägt. Den Unbekannten, der die fünf Todesopfer zurück zur Heimat brachte.
War’s überhaupt ein Bewohner dieser Erde? War’s einer, der aus Weltenfernen kam? –
Sein Dienst war zu Ende. Das Verbindungsflugzeug brachte Ronald Lee nach London zurück. Hier rief ihn ein Brief der Witwe von Jonas Lee nach deren Heim.
Er saß ihr gegenüber. Vor ihm ein verschnürtes Bündel von Dokumenten mit der Aufschrift: »Nach meinem Tode meinem Neffen Ronald Lee zu übergeben.«
Erst nachdem sie die Leiche ihres Gatten mit eigenen Augen gesehen, waren die letzten Hoffnungen der Witwe geschwunden. Jetzt erst hatte sie die Kraft gefunden, den Schreibtisch des Verstorbenen zu öffnen, in dem, wie er ihr gesagt hatte, sein Nachlaß verschlossen war. Unter anderem hatte sie auch dieses Bündel gefunden, hatte Ronald Lee zu sich gerufen. –
Und dann saß er allein in dem Zimmer, knüpfte mit zagen Händen das Band auf, das das Bündel umschlang…
Saß und las… Der Abend brach herein, als er das letzte Blatt aus der Hand legte.
Welche seelische Not, welche furchtbaren Zweifel mußten Jonas Lee die letzten Wochen vor seinem Flug gequält haben! Diese Blätter hier erzählten viel mehr, als die nackten Worte sagten. –
Auch das war jetzt klar. Der Unbekannte, der zum Mond geflogen und dabei auf der Rückreise die Toten mitgenommen hatte – kein anderer als Weland Gorm konnte es sein… Wieder eine Tat dieses Genies! Und dieser Mann, allen Ruhm verschmähend, verschwieg sie, hielt seinen Namen im dunkeln.
Unbegreiflich! Nur so zu erklären, daß Gorm, verbittert, angeekelt durch das Geheul der Meute, die ihn als Schuldigen ächten wollte, es verschmähte, der Menschheit Kunde zu geben von seinem neuen Erfolg…
Kurze Zeit vor dem Tag der Abfahrt war Weland Gorm, der alte Freund Lees, zu ihm gekommen, ihn zu warnen vor dem gefährlichen Weg und ihm den gefahrloseren zu zeigen. Ein Raumschiff, getrieben durch Elektronenenergie, ein sichereres, besseres Mittel, die Fahrt zu unternehmen. Gorm hatte bei der Weiterentwicklung seiner Erfindung diesen Weg entdeckt. Er selbst – mit andere Plänen im Kopf – wollte das Problem erst später verwirklichen. In Sorge um den Freund war er zu ihm geeilt, hatte ihm selbstlos seine Ideen und Berechnungen zur Verfügung gestellt, in der Hoffnung, Lee von dem gefährlichen Flug mit einer Wasserstoffrakete abzuhalten.
Lee hatte staunend den Freund beglückwünscht. Der Gormsche Weg war die Lösung des Problems! So klar, so einleuchtend! Gewiß, ein Raumschiff, nach diesem Prinzip konstruiert, mußte viel schneller, viel sicherer seinen Weg zurücklegen und bot auch Aussichten auf viel längere, weitere Fahrten.
Er hatte Gorm allein gelassen, war mit sich selbst zu Rat gegangen… Die eigenen Pläne verwerfen? In letzter Stunde vom Flug zurücktreten?
Das Lachen der Welt! Es klang ihm schon in den Ohren. Er als Feigling verspottet! Andere, Kühnere, die an seiner Statt das Wagnis unternahmen, mochten das Ziel vor ihm erreichen…
Dann war er zu Gorm zurückgekehrt.
»Ich fliege doch! Mag’s kommen, wie es wolle!«
Vergeblich hatte Gorm nochmals versucht, den Freund umzustimmen, doch dieser war fest geblieben.
Gorm war geschieden. Hatte seine Formeln dagelassen. Vielleicht daß Lee doch noch anderen Sinnes wurde, wenn er in ihrem Besitz blieb. –
Diese Berechnungen – ihm vom Oheim überkommen –, er durfte frei über sie verfügen. Stand es doch da ausdrücklich geschrieben:
»Es ist Gorms Idee, die ich in den Nächten vor meinem Flug durchgerechnet und bis zur Konstruktion geformt habe. Komme ich nicht zurück, gehören sie dir! Du wirst derjenige sein, der den Namen Lee besser, glücklicher zu Ruhm und Erfolg führt…«
Fassungslos starrte Ronald Lee in die Weite.
Die Idee, die er schon lange in sich getragen hatte, hier wurde ihm die Möglichkeit einer Verwirklichung geboten… Und Gorm? –
*
Trotz seiner Beziehungen in Buenos Aires war es Dr. Stamford nicht möglich gewesen, Zutritt zu den Darbietungen des Inders zu erlangen. Alle Karten zu den letzten Vorstellungen waren im voraus vergriffen. Erst in letzter Stunde glückte es ihm noch, zwei Bekannte zu veranlassen, ihm ihre Karten
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