Das Erbe der Uraniden
Werk.
Und wenn keiner an dich glaubt, so tue ich es. Einmal wird doch der Tag kommen, wo dein starker Bruder den Flug ins All antritt. Den Namen »Jonas Lee« in blanken Lettern an seinem Bug… den Namen des ersten Pioniers der Raumschiffahrt soll er zu neuem Ruhme führen…
Wer gewußt hätte, mit welchen Fehlschlägen, Enttäuschungen Ronald Lee ununterbrochen kämpfte, hätte dessen erfolgbewußte Miene, dessen siegesgewisse Worte schwer begriffen.
Es war Sonntag. Den Tag der Ruhe wollte er benutzen, an Violet, seine Schwester, zu schreiben. Von Kindheit an in engster geschwisterlicher Liebe mit ihr verbunden, war er gewohnt, all das, was ihn bewegte, ihr anzuvertrauen. Sie wußte bereits vom Erbe des Oheims, doch hatte er sie gebeten, darüber zu schweigen. Jetzt schrieb er ihr nach langer Zeit all das, was er inzwischen getan hatte, und verschwieg ihr nichts von den Enttäuschungen… Er ließ aber klar durchblicken, daß auch nichts ihm die Hoffnungen auf ein glückliches Zuendebringen seiner Pläne rauben könne.
Er bat sie scherzend, ihm doch dort unten ein Konsortium von mammonbeschwerten Interessenten zusammenzubringen. Billig sei der Spaß nicht, weshalb es unbedingt ein Konsortium sein müsse. So einige hunderttausend Pfund dürften nötig sein. Der Brief schloß: »Indem ich Dich vor mir sehe, mit dem Klingelbeutel die Hauptavenuen von Buenos Aires abwandelnd, verbleibe ich in alter Liebe Dein Ronald.«
»Der arme Ronald!« sagte Violet in betrübtem Tone, als sie den Brief zu Ende gelesen hatte.
»Warum, Miß Violet? Was ist mit Ihrem Bruder?« Hortense neigte sich zu ihr und schaute sie fragend an.
»Ach! Der dumme Junge! Diese Idee, nach den Sternen zu fliegen. Ist es nicht genug, daß unser Oheim elendiglich zugrunde gehen mußte. Und nun will er auch… und ich soll ihm noch das Geld zusammenbetteln. Ich werde ihm aber einen Brief schreiben…«
»Wie? Was?« Hortense lächelte. »Ihr Bruder Ronald, auch er? Das ist ja, als wenn das eine Krankheit in Ihrer Familie wäre. Fehlte nur noch, daß auch Sie mir entflögen… hinauf zu den Sternen.«
»Ach, liebe Miß Hortense, Sie spotten! Und wissen doch gar nicht, daß es dem Jungen so bitter ernst ist. Hier, lesen Sie doch selbst.«
Hortense las. Und je weiter sie las, desto ernster wurde ihr Gesicht. Als sie zu Ende gelesen, sah sie Violet mit unverhohlenem Interesse an.
»Miß Violet, entschuldigen Sie. Ich hielt das alles mehr für Scherz. Die Arbeiten Ihres Bruders interessieren mich sehr. Doch verstehe ich manches nicht. Vielleicht haben Sie noch den vorigen Brief, an den er hier anknüpft. Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, möchte ich Sie bitten, mir auch den zum Lesen zu geben.«
»Ach, Miß Hortense! Nun machen Sie auch noch solche Sachen. Ich will ihn ja gern holen. Aber es ist und bleibt doch schrecklich, daß Ronald nun vielleicht gar auch dasselbe Schicksal haben könnte wie mein Oheim Jonas.«
Nach kurzer Zeit war sie wieder da, brachte Hortense den Brief.
Während die beiden Mädchen heftig disputierend die Briefe besprachen, ließ van der Meulen plötzlich die Zeitung sinken. Eine kurze Notiz da unten ganz zum Schluß:
»Professor van de Vrient aus Leiden, von einer Reise nach Batavia den Rückweg über Osten nehmend, besuchte Coiba. Er äußerte die stärksten Bedenken über die Gefahr, die zunächst den amerikanischen Kontinenten, später vielleicht der ganzen Erde drohen könnte…«
Bei dem Namen ›van de Vrient‹ hatte van der Meulen aufgemerkt. Er kannte ihn von der Heimat her sehr gut und wußte, daß dieser, ein ernster Wissenschaftler, kein Wort sprach, das er nicht voll vertreten konnte. Van der Meulen sann angestrengt nach. Plötzlich, als wäre ihm eine Idee gekommen, sprang er auf.
»Die Briefe!«
Die beiden Mädchen schauten ihn halb erschrocken, halb erstaunt an. Violet erhob sich, reichte ihm die beiden Schriftstücke. Van der Meulen ging an seinen Platz zurück, las und las. Die beiden Mädchen waren verstummt, schauten sich an und wußten nicht, was dieser plötzliche Wechsel in van der Meulens Stimmung zu bedeuten hatte. Sie sahen, wie er immer wieder von neuem die Briefe las –
Endlich wandte er sich um.
»Miß Violet! Sie würden mir einen Dienst leisten, wenn Sie Ihren Bruder Ronald bitten wollten, hierherzukommen und unser Gast zu sein.«
»Mr. van der Meulen…«, stotterte Violet, »ich verstehe nicht, ich begreife nicht. Ich glaube, Sie scherzen…«
»Warum sollte ich scherzen, Miß
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