Das Erbe der Uraniden
Besitzung einschob, stand Gorm. Er hatte zu Pferd die weiten Fluren Santa Margueritas in stundenlangem Ritt durchstreift, um loszukommen von den peinigenden Gedanken an Coiba… Vergeblich! Der Druck lastete unvermindert auf ihm.
Auch das würde man ihm als Schuld anrechnen! Er kannte die Welt nur zu gut. Geächtet, verfemt, mußte er sich unter fremdem Namen im Freundeshaus verbergen, während der wahre Schuldige hier vor ihm in ungestörtem Reichtum und Glück lebte.
Wie war Canning in den Besitz seiner Berechnungen gekommen? Ein Teufel mußte ihm das Mittel gegeben haben! Er fand, solange er auch schon darüber grübelte, keine Erklärung. Und er mußte sie finden, sonst würde es ihm nie gelingen, den wahren Schuldigen zu entlarven.
Er hatte sein Pferd angebunden. Lange stand er an einen Baum gelehnt.
Der Anblick der lachenden, reichen Fluren, die Canning mit dem Judaslohn erworben, ließ ihn sich verzehren vor Bitterkeit und Haß. Immer wieder der Gedanke: Wo finde ich den Schlüssel, der diesem Schurken mein Geheimnis erschloß?
Der blutrote Glanz der untergehenden Sonne mahnte ihn zum Aufbruch. Er war, ohne auf den Weg zu achten, durch die Pampa geritten. Trat jetzt die Dunkelheit ein, mußte es schwer sein, den Rückweg zu finden. Er stieg aufs Pferd und wandte sich nach Süden. War er erst einmal aus dem dichten Walde, konnte er die Richtung leichter einhalten. Eine kurze Zeitlang würde ihm die Sonne die Himmelsrichtung noch weisen.
Als er den Wald hinter sich gelassen hatte, war das Tagesgestirn verschwunden. Schnell wachsende Dunkelheit umfing ihn. Auf der offenen Pampa setzte er sein Pferd in schnellere Gangart, ritt auf gut Glück in südliche Richtung.
Er war schon lange geritten. Nach seiner Berechnung mußte er die Häuser von Santa Marguerita längst erreicht haben. Doch nichts war zu sehen.
Er mußte sich verritten haben. Darum hielt er an, überlegte und sah nach dem Himmel. Vielleicht, daß die Sterne ihm die Richtung geben konnten. Doch die waren von dichten Wolken bedeckt.
Beim Umschauen glaubte er zu seiner Rechten weit in der Ferne einen Lichtschein zu sehen. Vielleicht ein Hirtenfeuer dort? Er wandte das Pferd ab, ritt darauf zu.
Eine halbe Stunde war er geritten, da sah er auf einer leichten Bodenerhebung deutlich das Feuer, sah auch im Hintergrund die dunklen Massen weidenden Viehs. Vaqueros! Kein Zweifel, nun war er aller Sorge enthoben.
Jetzt war er so nahe herangekommen, daß er schon die Stimmen der um das Feuer Lagernden zu verstehen glaubte. Da ließ er ein lautes Hallo erschallen, ritt näher heran.
Bei dem Anruf waren ein paar wilde Gestalten, die sich um das Feuer gelagert hatten, aufgesprungen und starrten verwundert den Reiter an.
Er sprang vom Pferd.
Einer kam ihm entgegengelaufen, bestürmte den Ankommenden mit einer Flut von Fragen.
Gorm stand Rede und Antwort. Man lud ihn ein, am Feuer niederzusitzen. Doch er lehnte ab. In Santa Marguerita würde man ihn schon vermissen…
»Unmöglich für Sie, Herr Weland, wenn ich Ihnen den Weg auch noch so gut beschreibe. Ich reite mit und bringe Sie bis ans Haus. Wäre noch schöner, wenn Tim Broker einen Fremden in den Pampas sitzen ließe. Zwei Stunden hin, eine Stunde zurück, vor Mitternacht bin ich wieder hier.« –
Sie trieben ihre Pferde an.
»Warum nehmen wir hinzu den weiteren Weg?« fragte Gorm.
»Weiter ist der Weg nicht. Es ist ja hin und her derselbe… Ah so! Jetzt verstehe ich Sie… Sie denken an zwei Stunden und eine Stunde! Nun, das ist sehr einfach. Hinzu reiten wir im Schritt. Da können wir um so länger plaudern. Rückzu geht’s im Galopp.«
Gorm mußte lachen. Die unbefangene Unterhaltung mit dem Vaquero tat ihm wohl, verscheuchte die finsteren Gedanken. Sie kamen nach Santa Marguerita, ehe er es dachte.
Aus dem etwas verworrenen Gespräch hatte Gorm so viel entnommen, daß sein Begleiter mancherlei Schicksale durchgemacht hatte. Ein Allerweltskerl! Halb Mechaniker, Schlosser, Techniker, Seemann, Luftfahrer. Bald hier, bald dort. Zuletzt von einem deutschen Schiff in Buenos Aires weggelaufen. Er hatte einem Maat eine handgreifliche Antwort gegeben… Keine Papiere für die Heimfahrt. In Buenos Aires in allen denkbaren Stellungen, war er schließlich als Vaquero gelandet…
Sie waren an der Umzäunung der Hazienda angekommen. Tim Broker donnerte gegen das Tor. Die Hunde schlugen an, Schritte näherten sich.
Es war einer der Söhne Stamfords, der den verspäteten Gast einließ. Man hatte
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