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Das Erbe der Uraniden

Titel: Das Erbe der Uraniden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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sich versteckt hatte, als die Zweige sich öffneten. Der Inder sprang heraus, stürzte mit hocherhobenem Arm auf den Fremden los. Doch schneller war der Mann hinter dem Baum hervorgestürmt. In dem Augenblick, als der Inder die Faust mit dem Dolch nach unten stoßen wollte, umklammerten zwei Hände seinen Hals.
    »Canning! Mörder! Ich habe dich! Jetzt ist die Reihe an dir, Canning! Jetzt mußt du hinab in die Tiefe…«
    Der Irre hob den Inder wie eine leichte Feder empor und schleuderte ihn in großem Bogen von sich. Dann brach er in ein gräßliches Lachen aus. »Ha, ha! Jetzt magst du da unten schwimmen… ein Jahr schwamm ich in dem großen Ozean… bis ich hierherkam… Schwimme auch, Canning… schwimme!… Jetzt bist du dran! Schwimme, Canning!… Schwimme, Canning… Du darfst noch nicht ertrinken… Schwimme!«
    Der Fremde stand sprachlos, schien nicht zu wissen, was das zu bedeuten hatte.
    »Zurück, Awaloff!« Er schob den Irren zur Seite, trat an den Inder heran und beugte sich über ihn.
    »Ah! Du bist’s, du Schurke! Jetzt verstehe ich’s.«
    Sarata, nur leicht betäubt, wandte den Kopf, richtete sich langsam auf.
    Mit einem Satz war Awaloff neben ihm, entriß ihm den Dolch und wollte zustoßen. Da fiel ihm Gorm in den Arm. Ein wütendes Ringen entspann sich. Die Kräfte des Irren schienen sich verdreifacht zu haben. Schaum stand ihm vor dem Mund. Mit aller Gewalt suchte er sich von Gorm loszumachen.
    »Canning! Canning! Er muß sterben!« Immer wieder schrie er.
    Endlich war es Gorm gelungen, seine rechte Hand zu erfassen, ihm den Dolch zu entwinden. Er schleuderte die Waffe von sich, ergriff Awaloffs Arm. Redete beruhigend auf ihn ein. Nur langsam fügte er sich. Dann gaben seine überspannten Nerven plötzlich nach; mit einem leisen Wimmern sank er zu Boden.
    Auf den Lärm hin eilten einige Mönche aus dem Kloster herbei. Gorm übergab ihnen Awaloff, wollte sich zu Sarata wenden… Da sprang dieser auf und war, ehe man ihn ergreifen konnte, verschwunden.
    *
    »Hallo! Achtung da unten!« brüllte die Stimme des Vorarbeiters von dem hohen Gerüst. Ronald Lee, in eine Zeichnung vertieft, schaute hoch. Das Blatt fiel zur Erde. In wilden Sprüngen eilte er vorwärts. Er wollte »Hortense!« schreien, doch die Stimme versagte ihm. Die Last der eisernen Träger da oben, auf den einzelnen Balken vom Kran falsch aufgesetzt… der Balken knisterte und brach… Die Eisenlast, von der Kette schon gelöst, begann zu stürzen.
    Hortense stand ahnungslos unweit des Gerüstes.
    Sie stieß einen lauten Schrei aus. Zwei Arme hatten sie umschlungen, trugen sie wie ein leichtes Bündel hinweg, noch ehe sie wußte, was geschah.
    Ein donnerartiges Krachen ertönte, die Masse der einzelnen Träger löste sich, hart auf das Mauerwerk schlagend. In hohem Bogen sprangen die Eisenstücke mit zermalmender Wucht nach allen Seiten und schlugen, was da stand an Geräten und Werkzeugen, in tausend Stücke…
    Durch die Überraschung, das furchtbare Krachen verlor Hortense einen Augenblick die Besinnung. Als sie wieder zu sich kam, starrte sie in ein Gesicht, das unter der Sonnenbräunung tief erblaßt war.
    »Mr. Lee! Was ist geschehen? Ich bin…« Sie wollte sich freimachen, sank wieder zurück. Der Mann drückte sie fester an sich, strich ihr mit der freien Hand das Haar zurück, das ihr ins Gesicht gefallen war.
    »Beruhigen Sie sich«, mit Gewalt gab er seiner Stimme einen ruhigen Klang, »beruhigen Sie sich, Miß Hortense. Ein kleiner Unfall da oben, ein Balken brach. Sie hörten den Warnungsruf nicht. Ich sprang hinzu, riß Sie zur Seite. Ich griff wohl zu unsanft zu. Verzeihen Sie mein Ungestüm!«
    Unter seinen Worten hatte sie sich aufgerichtet, machte sich langsam frei. Ihr Blick ging von oben nach unten. Da, wo sie eben noch gestanden hatte, neben der Karre, lag ein Gewirr schwerer Eisenstücke, die Karre war zertrümmert. Ein Schauer lief durch ihren Körper. Langsam wandte sie sich um, reichte Lee die Hand und verließ den Platz.
    Die Arbeiter der Werft hatten ihren Chef noch niemals so erregt gesehen wie jetzt. Die Ruhe Ronald Lees war beinahe sprichwörtlich geworden. Jetzt erlebten sie etwas, was sie wohl niemals für möglich gehalten hätten. Das Donnerwetter, das auf den Kranführer herunterprasselte, überstieg alles, was sie in einem solchen Fall bisher mit angehört hatten.
    Trotz der großen Beschleunigung, mit der gearbeitet wurde, war dies der erste ernstliche Unfall. Wie ein Pilz wuchs die Werft aus

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