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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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er lachte leise. Der Ajin fühlte sich nun vollkommen sicher. »Komm, Sängerin. Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir. Jetzt kannst du dich ausruhen.«
    Sie folgte ihm einige Schritte weit, und als sie sich an Linfyar erinnerte, blieb sie stehen und sah sich um. »Wo ist Linfy?«
    »Was?« Der Ajin verharrte in der Tür, drehte den Kopf und brachte mit Körper und Mimik wachsende Ungeduld zum Ausdruck.
    »Der Junge. Mein Gefährte. Er war hier. Wo ist er nun?«
    »Ach, du meinst das kleine Ungeheuer, den Blinden. Er erwies sich als recht aufsässig, und deshalb ließ ich ihn in eure Unterkunft zurückbringen.« Er wartete keine Antwort ab und trat auf den Gang, zweifelte nicht daran, daß Shadith ihm folgen würde.
    Sie ballte die Hände zu Fäusten und beobachtete den Arzt und seinen Assistenten, die sich beide Mühe machten, ihre Gesichter in ausdruckslose Masken zu verwandeln. Dann verließ Shadith ebenfalls das Zimmer. Sie fühlte sich plötzlich hilflos, ohnmächtig den Gezeiten des Schicksals ausgeliefert.
    Linfyar lief ihr entgegen, umarmte sie in einer Geste der Verzweiflung und schmiegte sich zitternd an sie, zerdrückte sie fast. Shadith machte sich von ihm frei, lachte und war überrascht und auch berührt von seiner temperamentvollen Begrüßung, froh darüber, daß der Ajin sie nur bis zur Tür begleitet hatte, ohne ebenfalls ins Zimmer zu kommen. Allerdings hatte er erneut hinter ihr abgeschlossen.
    Linfyar vergewisserte sich, daß alles in Ordnung war mit Shadith, und dann wich er zurück. Nach wie vor herrschte ein derartiger emotionaler Aufruhr in ihm, daß er am ganzen Leib bebte. »Was hat er dir angetan, Schatten? Was hat er mit dir gemacht?«
    »Der Mistkerl wollte ganz sichergehen, daß ich nicht stiftengehe, sondern immer hübsch bei ihm bleibe.« Sie zögerte und suchte nach den richtigen Worten. Nach einigen Sekunden kam sie zu dem Schluß, daß ihr Gefährte besser Bescheid wissen sollte, denn die Operation beeinflußte alle ihre zukünftigen Aktionen. Sie seufzte und berichtete Linfyar von der Thermobombe.
    Der Junge wurde völlig still. Dann schrillte er, gab einen fast gellenden Schrei von sich, der Shadith all das mitteilte, was in ihm vor sich ging, setzte sich jäh in Bewegung und stürmte durchs Zimmer. Er stieß gegen die Wände, warf sich zu Boden, brüllte Flüche und wimmerte. Es gelang Shadith schließlich, ihn festzuhalten, und sie war verblüfft von der Kraft des zarten Körpers, von der Wut, die in ihm loderte. Es war, als sei ein Vulkan in ihm ausgebrochen, dessen Magma aus dem bestand, was man ihm auf Ibex angetan hatte, aus all den Tricks und Verschlagenheiten, die von ihm benutzt worden waren, um zu überleben, aus all den Demütigungen, die er über sich ergehen lassen mußte - ein Druck, der nun endlich ein Ventil fand. Er widersetzte sich Shadith nur kurz, erschlaffte dann, preßte sich an sie und wimmerte, zitterte erneut.
    Er war so heiß, daß er beinahe die Haut des Mädchens versengt hätte, als es ihn an sich drückte, ihn hin und her wiegte, bis das mitleiderweckende Winseln verklang. Es hielt ihn noch länger fest, bis er sich aus der Umarmung freimachen wollte.
    Als Shadith in sein Gesicht sah, erwartete sie eine weitere Überraschung, mit der sie nicht gerechnet hatte. Keine Tränen.
    Keine Spuren, die von dem gefühlsmäßigen Kollaps
    zurückgeblieben waren. Die Erklärung dafür lag auf der Hand: Er hatte keine Augen und konnte somit auch nicht weinen. Ja, natürlich. Doch bisher hatte Shadith noch nie darüber nachgedacht, ihn mit einem Verständnis akzeptiert, das in gewisser Weise ebenso gering war wie das des Ajin. Sie rümpfte die Nase und beobachtete den Jungen, als er sich in den Kissenberg auf dem Sofa wühlte und eine möglichst bequeme Position suchte. Die Hysterie war ebenso schnell vorübergegangen wie ein sommerliches Gewitter und ließ nur Müdigkeit zurück. Er gähnte und streckte sich, rutschte hin und her und fragte dann nach weiteren Einzelheiten in Hinblick auf das Implantat. »Laß es mich fühlen«, sagte er. »Ich möchte es ertasten.«
    Shadith zog die Tunika aus und drehte ihm den Rücken mit dem Verband zu, wich aber rasch zurück, als Linfyar die Klebestreifen lösen und die Bombe hervorholen wollte. »Damit würdest du uns beide in die Luft jagen, Balg. Und außerdem tut es sehr weh. Ich möchte nicht, daß du an der Operationswunde herumpfuscht.«
    Der Junge sauste um sie herum und berührte erneut den Verband. »Ich kann

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