Das Erbe der Vryhh
mein Nutzen für den Ajin von der Gefahr übertroffen wird, die ich verkörpere?
Er nickte und streckte die Hand aus. »Nun gut. Komm. Es gibt da noch etwas, das wir erledigen müssen, bevor du dich ausruhen kannst. Du wirkst müde.«
»Das bin ich auch.« Sie ließ sich von ihm in die Höhe ziehen, ging mit ihm ins Gebäude zurück. Linfyar folgte ihnen still.
Wieder in der Krankenstation. Der Ajin blieb mit Shadith neben dem Untersuchungstisch stehen und musterte sie nachdenklich.
»Wenn du irgend etwas mit meinem Kopf anstellst, hat all mein Singen keinen Zweck mehr.«
Er nickte. »Ich glaube dir. Die Nuancen.«
»Nun?«
»Du machst mir Sorgen. Ich habe keine Kontrolle über dich.«
»Doch- den Süßen Bernstein. Ich halte mich an unsere Übereinkunft.«
»Eine solche Behauptung fällt dir hier sicher nicht schwer. Aber außerhalb meiner Basis könntest du deine Meinung ändern.« Der Ajin schüttelte den Kopf. »Es gefällt mir nicht, Risiken einzugehen, Shadith. Das ist der Grund, warum ich noch lebe.« Er gab kein Zeichen, auf das Shadith aufmerksam wurde, doch unmittelbar darauf wickelte sich ein Hemmer um sie. Sie hörte, wie Linfyar vor Wut und Angst aufschrie, vergaß ihre eigene Furcht, als sie dem Ajin Verwünschungen und Flüche entgegenschleuderte und gegen die unnachgiebigen Fesselstränge ankämpfte. Ein Stich in der Schulter. Finsternis wogte heran. Shadith vernahm noch ein letztes Wimmern von Linfyar, dann versank sie in der Schwärze …
Als sie erwachte, lag sie bäuchlings auf dem Tisch, und neben ihr ragte die massige Gestalt des Ajin in die Höhe. Er trat zurück, als sie ihn anspuckte, so voller Zorn, daß sie überhaupt nicht nachdachte, nur reagierte. Er sah über sie hinweg und richtete den Blick auf jemanden, der an der anderen Seite des Tisches stand. »Lösen Sie jetzt die Fesseln.«
»Sie hat alle Muskeln angespannt und ist zum Angriff bereit.«
Der Ajin lachte. »Dieses kleine Mädchen? Bin ich denn so schwach? Geben Sie sie frei.«
Shadith spürte, wie sich die Halteriemen am Rücken und den Beinen lockerten und schließlich ganz zur Seite sanken. Die wenigen verstreichenden Sekunden hatten ihr ausreichend Gelegenheit gegeben, sich daran zu erinnern, aus welchem Grund sie sich an diesem Ort befand. Sie setzte sich auf und zuckte zusammen, als sie einen stechenden Schmerz zwischen den Schulterblättern verspürte. Ein großer und dürrer Mann kam um den Tisch herum und reichte ihr eine Tunika. Sie streifte sie sich mit aufgebrachten und ruckartigen Bewegungen über, glättete den Stoff und sprang zu Boden. »Was hast du mit mir gemacht?«
»Komm hier herüber«, sagte der Ajin.
Sie folgte ihm durch das Zimmer an einen Schirm heran, der etwa einen Meter über ihr an der Wand hing. Er berührte einen Sensor, und sie sah sich selbst, wie sie mit dem Bauch nach unten auf dem Tisch lag. Sie erblickte auch den Dürren, beobachtete ihn dabei, wie er mit einem Skalpell in ihren Rücken schnitt und ein kleines und ovales Objekt zwischen die deutlich zu erkennenden Muskelstränge schob. Er zog die Hautfalte darüber, versiegelte die Wunde mit einem Laserheiler, strich eine schmierig wirkende Flüssigkeit über die Falte und trug einen Stoffverband auf, den er mit Klebestreifen auf der Haut befestigte. Es war eine sehr altertümliche Behandlungsweise, die Shadith mehr als nur erstaunte. Der Ajin schaltete den Schirm wieder aus.
»Eine Thermobombe in Miniaturausführung«, sagte er. »Und sie ist auf diesen Zünder justiert.« Er zeigte ihr einen eiförmigen Gegenstand aus schwarzem Kunststoff, der an einer Kette hing, die er einige Sekunden lang vor den Augen Shadiths hin und her baumeln ließ und sich dann erneut um den Hals legte. »Du bist sicher, solange du dich nicht mehr als einen Kilometer von mir entfernst.
Und solange ich am Leben bin. Wenn ich getötet werde und die Bombe in deinem Rücken bis dahin noch nicht entschärft wurde tja, dann hast du Pech gehabt. Nach meinem Tod brauche ich mich mit solchen Dingen ohnehin nicht mehr zu belasten.«
Shadith preßte die Lippen aufeinander und schlang die Arme um die Schultern.
Der Ajin bedachte sie mit einem ruhigen Lächeln und war offenbar sehr zufrieden mit der gerade durchgeführten Sicherheitsmaßnahme. »Wenn die vereinbarte Zeit um ist, läßt sich die Bombe ebensoleicht entfernen, wie man sie dir in den Rücken einfügte.«
»Oh, vielen Dank«, brummte Shadith. »Sehr nett.«
Sein Lächeln wuchs in die Breite, und
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