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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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würzigem Belas. Und unter den Wagen: Eis, das Fässer mit Bier, Wein und schmackhaftem Most kühlte.
    Die im Bereich der Transporter arbeitenden Frauen nahmen sich dann und wann Zeit, um mit Bekannten zu schwatzen, die sie viele Monate lang nicht gesehen hatten, mit denen nur Kom-gespräche möglich gewesen waren, von denen sie nach der Zusammenkunft an diesem Ort erneut lange getrennt sein würden.
    Ein Heuwagen in der Mitte der K’shun. Jemand hatte eine gefleckte Tarnplane an den Seiten heruntergelassen und am einen Ende einige Heubündel aufeinandergestapelt. Er wartete.
    Und die Bewohner des Graslands warteten mit der gleichen unerschütterlichen Geduld.
    Der Wind blies goldene Pollenschwärme in die Höhe und ließ sie wieder herabrieseln, bedeckte alle Gegenstände und Personen mit einer gelben Patina, die im hellen Schein der Sonne wie Gold funkelte.
    Der Ajin traf eine Stunde zu spät ein, wurde mit freudigen Rufen, Gelächter und einem gehörigen Maß an Aufregung begrüßt.
    Als er sich durch die Menge einen Weg in Richtung des Wagens bahnte, hoben sich Mütter und Väter ihre kleineren Kinder auf die Schultern, so daß sie den Mann sehen konnten, der es wagte, gegen die Regierung zu rebellieren. Shadith folgte ihm, und Linfyar schlenderte einen halben Schritt vor ihr dahin. Sie war verwirrt von der Überschwenglichkeit um sie herum und fragte sich, wieviel davon sich auf eine echte Loyalität dem Führer des Aufstands gegenüber gründete, oder ob er nichts weiter war als nur eine Abwechslung, ein Vorwand für geselliges Beisammensein. Die hier anwesenden Leute gingen nur ein geringes Risiko ein, indem sie kamen, um ihm zuzuhören. Doch waren sie auch bereit, sich in echte Gefahr zu begeben, indem sie sich seiner Streitmacht anschlössen? Sie begann nun deutlicher zu verstehen, wieso er ihr so viel Zeit und Mühe gewidmet hatte. Ihr kam die Aufgabe zu, die Leidenschaft in den Zuhörern zu erwecken, sie zu verstärken, das Feuer ihres Zornes zu entfachen, zum Vorteil des Ajin. Dieser Gedanke war wie ein fauliger Geschmack im Mund Shadiths. Sie sah zu, wie Linfyar in den Heuwagen kletterte, und sie folgte ihm.
    Ich kann es nicht… Ach, Schatten, warum versuchst du immer wieder, dir etwas vorzumachen? Ich bin hier. Ich werde die Anweisungen des Ajin befolgen und hoffen, mir trotzdem einen Teil des Selbstrespekts bewahren zu können. Ein wenig niedergeschlagen hörte sie zu, wie der Ajin mit seiner Rede begann.
    Hier draußen war er anders, seine Schwäche ebenso vergoldet wie die Gesichter der Bauern. Er verstand es sehr gut, die richtigen Worte zu wählen und sie mit einer angemessenen Betonung zu versehen, um die Herzen der Zuhörer zu erreichen, sie mitzureißen. Er sprach von Heimat und Kindern, von harter Arbeit, davon, die Früchte all jener Anstrengungen zu ernten. Zuerst war seine Stimme recht leise, doch nach kurzer Zeit wurden seine Sätze leidenschaftlicher und temperamentvoller - und wenigstens für den Augenblick war er felsenfest von dem überzeugt, was er sagte.
    Diese Art von Wahrheit kam in jedem seiner Worte zum Ausdruck, und das spürten die Zuhörer. Shadith hielt die Situation nahezu für komisch, für absurd: Der gerissenste Dieb von Pajungg pries die Tugenden von harter Arbeit - und meinte es auch so. Wie die Söldner wußte er ganz genau, auf was es ihm eigentlich ankam, schlüpfte jetzt jedoch in eine Rolle, mit der er sich völlig identifizierte. Das Mädchen ließ die Schultern hängen, senkte den Kopf und fühlte sich elend.
    Der Ajin brachte die Menge dazu, ihm zuzujubeln, zu klatschen, ihm begeisterten Beifall zu spenden, und anschließend bat er um Ruhe, stellte Shadith vor und ließ sie an seine Seite treten.
    Sie nahm auf dem Stroh Platz und begann damit, auf der Harfe zu spielen, erst leise, als eine Entsprechung der Rede des Rebellenführers. Sie hatte das Gefühl, daß einige Personen in der Menge des Publikums sie zu erkennen glaubten, jene Männer und Frauen, die in Dusta gewesen waren und ihrem Gesang schon einmal gelauscht hatten. Linfyar nahm zu ihren Füßen Platz und untermalte die Melodie mit seinem Pfeifen. Einige Sekunden später sang Shadith, machte dabei Gebrauch von dem Harmoniemuster eines Verses, der während der Woche entstanden war, die ihr der Ajin fürs Heilen der Operationswunde gewährt hatte - ein Lied, das sie ebenso wie die Weisen ihrer Ahnen in der alten Shallal-Sprache sang. Sie war nervös. Zum erstenmal nahm sie nun Abstand von den Melodien

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