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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Träumen hin, wenn das keinen Preis von ihnen verlangte. Von jenen gefühlvollen Visionen geleitete Shadith sie in das Halluzinationsland, in dem Ruhm und Ehre wohnten, in dem sich all das finden ließ, was die Männer gern sein wollten oder bereits in sich sahen, beschrieb mit ihrem Gesang Helden, die aufgrund ihrer Tapferkeit und des Geschicks gepriesen wurden, die ihre Waffenbrüder schützten und nach einem Ehrenkodex lebten, den kein Außenstehender begreifen konnte. Ein Traum, dem sich selbst die besonders zynischen und verschlagenen Kämpfer in der Menge ihrer Zuhörer hingaben, irgendwo in einem entlegenen Winkel ihrer verdorbenen Seelen, obgleich die Betreffenden sicher wußten, daß solche Dinge nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten.
    Zuerst war Shadith in Hinblick auf die Komplexität der Aufgabe besorgt, die Männer nicht nur dazu bringen zu müssen, Gefallen an ihrem Lied zu finden, doch als sie die erste Melodie gesungen hatte und die letzten Töne verklingen ließ, fühlte sie sich zuversichtlicher, zumindest in Zusammenhang mit diesen Söldnern. Sie führten ein recht angenehmes Leben, trotz der krassen Unterschiede, die es zwischen ihren Idealen und den Dingen gab, die sie Fremden und auch den eigenen Gefährten antaten.
    Neben Shadith sprang der Ajin auf einen Felsen und begann eine eindrucksvolle Rede. Schon nach einigen wenigen Worten jubelten ihm die Männer zu. Das Mädchen lauschte nicht länger und senkte den Kopf. Es war eine Sache, für solche Leute zu singen, doch wenn sie an die Avosinger dachte … Eine einzige Vorstellung konnte kaum etwas bewirken, doch was sollte sie unternehmen, wenn der Ajin sie dazu zwang, immer wieder neue Lieder anzustimmen? Ich muß der Sache ein Ende setzen, und doch kann ich es nicht … Es blieb ihr nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Bis sie eine Möglichkeit fand, Grey und Ticutt zu befreien, saß sie hier fest, mußte sich mit Dingen abfinden, die ihr nicht nur widerstrebten, sondern die sie haßte. Der Ajin ging neben ihr in die Hocke und flüsterte:
    »Beruhige sie mit einem weiteren Lied und stabilisiere die Wirkung, die wir auf sie erzielten.«
    Wir, dachte Shadith und fühlte, wie sich in ihrer Magengrube etwas verkrampfte. Sie rückte die Harfe zurecht und stimmte ein fröhliches Lied an, das Swardheld ihr beigebracht hatte, nach dem Transfer in den Körper Quales und der Wiederaufnahme seiner Wanderungen. Sie brachte die Männer dazu, im Rhythmus der Melodie zu klatschen und mit ihr zusammen den Refrain zu singen, und anschließend sang sie sanftere Harmonien, ignorierte die lauten Bitten der Söldner um eine Zugabe, ließ einfach nur die Schultern hängen, als sie fertig war, starrte müde auf die Harfe. Der Ajin schickte seine Leute an die Arbeiten zurück, mit denen sie zuvor beschäftigt gewesen waren.
    Dann wandte er sich wieder Shadith zu. »Jetzt hast du mich überzeugt - mir etwas gezeigt, das ich für unmöglich hielt. Wirken sich deine Lieder auf jedes Publikum so aus, auch auf eins, dem Frauen und Kinder angehören, das keine einheitliche Masse bildet?«
    Shadith straffte die Gestalt, zwang sich aus dem Refugium ihres Schwermuts. »Ich glaube schon - sobald ich ein Gefühl für die Menge der Zuhörer entwickelt habe.«
    »Dann kannst du also nicht nur einfach den Knopf A drücken, um das Ergebnis A zu erhalten.«
    »Nein. Menschen verändern sich. Wenn du jene Leute erneut herbeirufen würdest, müßte ich andere Lieder singen, die Melodien ein wenig verändern. Es sind die Nuancen, die zu einem Erfolg führen. Oder einem Fehlschlag.«
    Der Ajin musterte sie skeptisch. Es widerstrebte ihm offenbar, ihr zu glauben, kannte sich in der Musik aber nicht annähernd gut genug aus, um das in Frage zu stellen, was sie ihm mitteilte. Shadith trug einen ruhigen Gesichtsausdruck zur Schau, deutete ein Lächeln an und versuchte, Passivität und mangelndes Interesse an den Worten des hochgewachsenen Mannes zu projizieren. Doch es entging ihr nicht, daß sich der Ajin inzwischen sogar ein wenig vor ihr fürchtete - ein Unbehagen, das noch von der Abneigung und dem Mißtrauen allen Frauen gegenüber verstärkt wurde. Ich würde nie die vollen fünf Jahre überstehen, nicht einmal dann, wenn ich wirklich entschlossen wäre, bei ihm zu bleiben. Wenn seine Furcht zu stark wird, wirft er mich zu Grey in die Falle. Darüber sollte ich mir noch eingehender Gedanken machen - wieviel Zeit bleibt mir?
    Wie lange dauert es, bis

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