Das Erbe des Blutes - Roman
ihn gewesen. Würde er seinem Ende mit genauso viel Würde gegenübertreten?
Das Tape wurde ihm über den Mund geklebt. Er konnte das Plastik schmecken. Sein linker Arm wurde losgebunden und auf die Außenkante gelegt, mit dem Handgelenk nach oben. Seine Hand lag auf einem anderen Tisch. Foster starrte dem Killer direkt in die Augen. Karl erwiderte den Blick nicht, er hob nur seinen Stiefel und ließ ihn auf Fosters Unterarm krachen.
Diesmal war der Bruch glatt. Anders als bei dem albtraumhaften Schmerz im Bein wurde der Arm einfach taub. Foster zuckte nicht zusammen oder wandte den Blick ab. Seine Augen blieben die ganze Zeit auf den Killer gerichtet.
Foster wartete darauf, dass er das Band entfernte, damit er seine Wut, den ganzen Schmerz herausbrüllen konnte.
Nichts. Das Tape blieb dran. Er verlor wieder das Bewusstsein. Als er zu sich kam, war das Tape weg. Er öffnete den Mund, aber seine Stimme war kaum hörbar. Er leckte seine aufgesprungenen Lippen. Durch den Nebel überlegte er sich eine andere Taktik.
»Das kann auch anders laufen«, flüsterte Foster mit heiserer Stimme. »Ich weiß über Fairbairn Bescheid. Ich weiß von dem Unrecht.« Er hörte auf, das Gesicht zu verziehen, rang nach Luft. »Ich weiß von der Folter und Stafford Pearceys Aussage, von dem untergejubelten Messer, der Zusammenfassung des Richters. Was damals geschah, war eine Farce. Aber es gibt so etwas wie einen Gnadenerweis. Der Fall kann wieder aufgerollt, der Name Ihres Vorfahren reingewaschen werden.«
Karl war wieder aus seinem Blickwinkel verschwunden. »Eke Fairbairn ist nicht mein Vorfahre«, sagte er.
Nigel machte sich auf den Weg zum nationalen Zeitungsarchiv und kam innerhalb von weniger als einer halben Stunde dort an. Drinnen bestellte er die Ausgaben der Kensington News aus dem Jahr 1879. Die Story, die er haben wollte, hatte er zuerst am Montag in der Times vom Tag nach Fairbairns Verurteilung entdeckt. Aber da standen nur ein paar Absätze. Er brauchte mehr Einzelheiten. Als der Band eintraf, blätterte er zur Ausgabe aus der dritten Maiwoche, der ersten nach dem Prozess. Ein Bericht über die Ereignisse im Gericht teilte sich die Titelseite mit der Geschichte, nach der er suchte.
MANN MEUCHELT EHEFRAU UND TÖCHTER
Gestern Morgen erhielt Inspector Dodd von der Polizeistation Kensington von einem Nachbarn die Meldung, dass sich unter der Eingangstür eines Hauses in der Pamber Street eine große Blutlache gebildet habe. Dort wohnte und arbeitete Segar Kellogg, der Besitzer einer Kerzenhandlung.
Inspector Dodd begab sich zur Pamber Street und fand das aufgrund der entsetzlichen Taten des sogenannten Kensington Killers bereits aufgebrachte Viertel in hellem Aufruhr vor. Er ging zu besagter Haustür und gewahrte in der Tat auf der obersten Stufe etwas, das wie Blut aussah.
Er betätigte den Türklopfer, erhielt aber keine Antwort. Dann versuchte er die Tür zu öffnen und stellte fest, dass sie nicht verschlossen war. Zu seinem Entsetzen fand er dahinter einen dahingestreckten Jungen. Er war
zwar bewusstlos, hatte aber das Leben noch nicht ausgehaucht.
Sein Körper war blutüberströmt. Hinter ihm führte eine Blutspur zum Kellereingang, von wo aus sich der Verletzte und Verstümmelte über den kalten Holzboden geschleppt haben musste, bevor er in Ohnmacht fiel. Der Detective folgte dem mit Blut besudelten Weg hinab, wo sich ihm das Bild eines grauenvollen Gemetzels darbot.
Die Frau lag tot da, man hatte ihr die Kehle durchgeschnitten. Neben ihr fand er die kalten und starren Leichen zweier Kinder. Nicht weit davon entfernt befand sich der Leichnam eines Mannes, dem ein Messer im Brustkorb steckte.
Nach dem Abtransport der Leichen bewahrheiteten sich die Vermutungen des Chirurgen. Sehr wahrscheinlich hatte Mr. Kellogg seine Ehefrau ermordet, dem Sohn in den Hals gestochen und seine armen Kleinen dann erstickt, bevor er die Mordwaffe schließlich gegen sich selbst richtete. Nach weiteren Verdächtigen wird nicht gesucht.
Nachbarn zufolge war Mr. Kellogg ein strenggläubiger Christ und Abstinenzler. Die Mordkommission schließt nicht aus, dass er einer religiösen Manie verfallen war.
Nigel musste unbedingt Duckworth finden.
»Warum denn dann?«, wollte Foster wissen. Dabei bemühte er sich, laut genug zu sprechen. »Wenn Sie nichts mit Eke Fairbairn zu tun haben, warum machen Sie das alles hier dann?«
Er hörte ein Seufzen.
»Die Polizei verhaftete einen Unschuldigen wegen eines Verbrechens, das
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