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Das Erbe des Blutes - Roman

Titel: Das Erbe des Blutes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sich in die Arbeit gestürzt, sich mit Hilfsmitteln abgelenkt und mit Alkohol betäubt: In Wirklichkeit nahm er gar nicht mehr am Leben teil. Doch dann kam dieser Fall, und die Erinnerungen und Bilder an seinen Vater stürzten erneut auf ihn ein.
    Er zwang sich, wieder an den Fall zu denken - gab es irgendetwas, was er und Heather versäumt hatten? -, doch Nigels Worte verfolgten ihn weiter. Vielleicht hatte Harris doch recht. Cables Festnahme konnte der Schlussstrich unter die Ereignisse von 1879 sein. Die Zeit würde es erweisen.
    In gut vierundzwanzig Stunden würden sie wissen, ob es, wie damals, einen weiteren Toten gab.

    Er sank immer tiefer. Hals über Kopf stürzte er in seine eigene Hölle. Sein Gemütszustand passte zu dem Abschaum und Dreck, der Würdelosigkeit dieses stinkenden Dales, wo er jetzt Gottes Werk verrichtete. Jemima und die Kleinen machten einen großen Bogen um ihn. Seit Tagen hatte er sie nicht zu Gesicht bekommen, und als ihm an diesem Morgen der kleine Esau nach der Waschung über den Weg gelaufen war, hatte er wimmernd und heulend am Rockzipfel seiner Mutter Schutz gesucht. Diese blickte ihn völlig verschreckt und verwirrt an, ohne im Geringsten anzuerkennen, zu welchem Geschöpf er geworden war. Aber es war Gottes Werk, das er hier verrichtete, er konnte dagegen nicht aufbegehren oder seine Bestimmung leugnen. Gott war allmächtig. Er dachte an Saul und wusste, dass er von dem gewählten Pfad nicht abweichen konnte. »Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu löcken.« Jemand musste diesen bedauernswerten Kreaturen die Tollheit ihrer Wege aufzeigen, sie die Folgen spüren lassen, wenn sie sich zu Sklaven des Alkohols machten. Wenn er durch die Straßen dieses finsteren Tals ging, Londons Prachtstraßen, den Pforten zur Hölle, sah er, dass seine Taten gerechtfertigt waren. Nur wenige Seelen taumelten trunken umher, nur wenige Frauenzimmer von niederer Moral gestatteten den nämlichen Toren ihr besudeltes Fleisch zu berühren. Seine Mission war in Bälde vollendet, das wusste er; doch dank seiner Taten würden diese Straßen dann reiner und weniger verdorben sein.
    Danach würde er gerichtet werden.

    Der Dale war verlassen, stellte er zufrieden fest. Seine Finger suchten und fanden in der Manteltasche das Heft einer Klinge, fuhren über den kalten Stahl. In diesem Augenblick der Ablenkung sog er die Luft durch die Nase ein und musste sich angesichts des schwefligen, ranzigen Gestanks beinahe übergeben. Er war nur wenige Schritte von jenem teuflischen Sumpf entfernt, den die Einheimischen Ocean nannten. Eine Ansammlung von Tongruben in einem verlassenen Ziegelmeer, große Löcher, in denen sich abgestandenes Wasser, Schweinekot, menschliche Exkremente und Abfall zu einem giftigen Pfuhl vermischt hatten, dessen entsetzlicher Gestank tagelang in der Nase blieb. Geschwind zog er aus der Tasche seines wollenen Mantels ein parfümiertes Tuch und hielt es sich beim Würgen vor den Mund. Die Übelkeit ging vorüber. Er erhob sich, kasteit. So lange, bis die Tat vollbracht oder der Gestank des Ocean fortgeweht war, würde er nur durch den Mund atmen.
    Er ging die neue Walmer Road entlang, vorbei an den Straßen der Schande. Nirgendwo in London lebten derart verdorbene und lasterhafte Kreaturen wie in dieser elenden Gegend. Ihn schauderte, wenn er bedachte, was in diesem Sündenpfuhl um die William Street als Leben bezeichnet wurde und welch abstoßenden Gewohnheiten diese verirrten Menschen frönten, die hier hausten. Ja, diese Menschen waren arm; aber das wenige Geld, das sie besaßen, verprassten sie. Lasterhafte, leicht bekleidete Mädchen, die in verlausten Kammern rauchten und angesichts des steten Zuflusses von Betrunkenen und Kriminellen ihre widerwärtigen Dienste anboten.
    Sie mussten erkennen, dass sie sich auf Abwegen befanden. Wieder umfasste seine Hand das Heft des Dolchs, als ihm speiübel wurde.
    Er passierte den jämmerlichen Sumpf, ohne sich zu übergeben, wandte sich dann nach rechts in Richtung St. James Square. Die Luft wurde sauberer, das Atmen fiel leichter angesichts der von
der besseren Gesellschaft bewohnten Stadthäuser, die sich um diese herrliche Kirche gruppierten. Beim Blick auf ihre Achtung gebietende Silhouette gegen den nachtblauen Himmel schlug sein Herz höher. Hier vorbeizugehen, flößte seinen Schritten neue Zuversicht ein, nicht dass sie zuvor zögerlich geworden wären.
    Er folgte der Straße, bis sie auf Saint Ann’s Villas traf. Dort wandte er

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